
Die „wichtigste Dynastie der Welt“ – so bezeichnet Roman Sandgruber im Untertitel die Habsburger. Wer sich aufgrund dessen monarchistische Verklärung erwartet, geht freilich fehl. Dem renommierten Wirtschafts- und Sozialhistoriker ist eine durchwegs differenzierte kritische Würdigung dieses für Österreich und Europa so prägenden Herrscherhauses gelungen. Leitend dabei die Überzeugung, dass dieses bei allen (auch schwerwiegenden) Fehlern und Schwächern „ein großartiges Erbe hinterlassen“ hat.
Beginnend mit Rudolf I. (1218–1291) werden die einzelnen Habsburger porträtiert. Hier zeigt sich die Meisterschaft des Autors, in gut lesbaren, pointiert geschriebenen Texten von maximal zehn Seiten die einzelnen Persönlichkeiten plastisch werden zu lassen.
Nicht nur Herrscher
Dabei werden nicht nur jene Vertreter des Hauses Österreich vorgestellt, die es auf den Thron des römisch-deutschen bzw. österreichischen Königs/Kaisers schafften, sondern exemplarisch auch bemerkenswerte Persönlichkeiten, denen diese höchste Würde versagt blieb.
So würdigt Sandgruber etwa Erzherzog Johann (1782–1859), eines der zahlreichen Kinder Leopolds II. und einer der jüngeren Brüder von Kaiser Franz II./I., als den „populärsten Habsburger“. Vor allem in der Steiermark erinnert vieles an ihn. 1850 wurde er gar zum Bürgermeister von Stainz in der Weststeiermark gekürt – womit er „der einzige Habsburger“ ist, „der während der Kaiserzeit je demokratisch in ein politisches Amt gewählt worden ist.
Das letzte Kapitel ist dem „Österreicher, Europäer, Bürger Otto (von) Habsburg-Lothringen“ gewidmet: dem letzten Habsburger, „der noch mit einem Königstitel aufwuchs“. Ottos Bestreben, im Februar 1938 von Schuschnigg die Kanzlerschaft überlassen zu bekommen, um Hitler militärisch entgegenzutreten, bezeichnet Sandgruber als „dramatische Fehleinschätzung de r außenpolitischen und innenpolitischen Gegebenheiten“. Er attestiert dem Sohn des letzten Kaisers aber auch, dieser „zeichnete sich in seinen späten Jahren durch eine erstaunlich wache Urteilskraft aus“. Dies nicht zuletzt mit Blick auf Ottos frühe richtige Einschätzung der Gefährlichkeit von Wladimir Putin.
Was bleibt? Neben Gebäuden, Schätzen, Sammlungen, welche Abermillionen Touristen rund um den Globus unvermindert in ihren Bann ziehen ist es, so der Historiker, die „europäische Idee“. Das habsburgische Imperium war auch ein Laboratorium „für die Formung eines neuen, geeinten Europa“.
Sandgruber verweist auf manche Parallelen zwischen der Monarchie und der Europäischen Union – im Wesentlichen die Einheit in der Vielfalt. Aber er sieht auch klar die Analogie in den inneren Bedrohungen: „zu viel Bürokratie und zu wenig Reformwille können Systeme lähmen“.
Molden Verlag
Roman Sandgruber: „Habsburg“, Molden, 320 Seiten, 38 Euro
Source:: Kurier.at – Kultur



