
Es gibt erstklassige Operndirektoren. Und es gibt erstklassige Opernregisseure. Aber es gibt ganz wenige Persönlichkeiten, die beide Professionen auf einem solchen Niveau vereint haben wie Pierre Audi.
Pierre Audi war ein Ermöglicher exzellenter Kunst, wenn er den Hut des Intendanten trug. Und er war ein höchst seriöser Inszenierer, wenn es um seine eigenen Regiearbeiten ging. Er kannte keine Limits oder Grenzen von Epochen, er wandte sich mit derselben Leidenschaft dem Barockfach zu wie der zeitgenössischen Musik.
Was auch definitiv von ihm bleiben wird, ist die offensive Einbeziehung von bildenden Künstlern in das Musiktheater, sei es William Kentridge, mit der er (als Intendant) in Amsterdam Alban Bergs „Lulu“ zum Triumph machte, sei es mit Georg Baselitz als Bühnenbildner, mit dem er (als Regisseur) in München Richard Wagners „Parsifal“ realisierte. Sei es mit Jonathan Messe, dessen Bühne er (als Regisseur) bei der Uraufführung von Wolfgang Rihms „Dionysos“ bei den Salzburger Festspielen so raffiniert ins Zentrum rückte, sei es mit Anish Kapour, mit dem Architektenduo Herzog & De Meuron oder vielen anderen. Bei den meistens einer Regiearbeiten trat er selbst durchaus in den Hintergrund und ließ andere strahlen – eine Seltenheit im heutigen Opernbetrieb.
Für das gesamte Genre hatte Pierre Audi eine Bedeutung, die an die großen Visionäre heranreicht. Er war nicht so berühmt wie etwa Gérard Mortier, der nach wie vor über allen Erneuerern schwebt, aber sein Einfluss war zumindest einige Jahre lang nicht wesentlich geringer. Apropos Mortier: Audi hatte auch einmal die Salzburger Festspiele leiten wollen, er kam auf eine Shortlist von drei Kandidaten – gemeinsam mit Stéphane Lissner und Alexander Pereira, letztlich entschied sich die Politik damals für Pereira.
Geboren wurde Pierre Audi 1957 in Beirut, schon während seiner Schulzeit am dortigen französischen Gymnasium organisierte er einen Filmklub und lud Größen wie etwa Pier Paolo Pasolini, den er verehrte, oder Jacques Tati ein. Als 17-Jähriger übersiedelte er mit seiner Familie nach England, studierte in Oxford, inszenierte bald Theater (Shakespeare) und gründete das Almeida Theater, einen experimentellen Kraftort, den er bis 1989 auch selbst leitete.
Operngeschichte (und das ist nicht übertrieben) schrieb er in Amsterdam, wo er die Nederlandse Opera von 1988 an leitete und zu einem weltweit beachteten Opernhaus machte. 30 Jahre führte er die Geschicke dieses Hauses, inszenierte viel selbst (unter anderem erstmals Wagners „Ring“) und brachte Stars aus aller Welt und aus allen Bereichen dorthin. Unter seiner Führung wurde Amsterdam sogar zum „Opernhaus des Jahres“. Wenn einer Richtung Gesamtkunstwerk drängte, dann war es in dieser Zeit Pierre Audi.
Parallel zu seinem Job an der Nederlandse Opera war er einige Jahre auch Chef des Holland Festivals. Ehe er 2018 die Intendanz des renommierten Festivals in Aix-en-Provence übernahm. Dort sorgte er für Programme mit einer Innovationskraft, die Publikum aus aller Welt anlockte und andere Festivals neidisch nach Frankreich blicken ließ.
Er arbeitete als Regisseur an der Scala (bei der Uraufführung von György Kurtágs „Endspiel“), an der Wiener Staatsoper („Rigoletto“), in München, in Paris, an der MET in New York, also an allen wesentlichen Opernhäusern.
Sein Tod in Peking, wo er sich freilich auch für seinen Job aufhielt, kam …read more
Source:: Kurier.at – Kultur