Booktok-Plagiatsstreit um Liebe mit Werwölfen

Kultur

Ein Plagiatsstreit unter Liebesroman-Autorinnen in den USA offenbart die kreativen Abgründe der Booktok-Maschinerie.

Vor mehr als 20 Jahren sagte der österreichische Song-Contest-Teilnehmer Manuel Ortega ungeahnt wegweisende Worte. Auf eine Plagiatsüberprüfung seines Wettbewerbssongs angesprochen, antwortete er damals: „Naja, es gibt halt nur eine bestimmte Anzahl von Noten.“ Er konnte nicht ahnen, dass diese Aussage viel später im modernen Buchmarkt seine urheberrechtliche Entsprechung finden sollte. Schuld daran ist wieder mal das Internet.

Das Genre der Romanze hat seit dem 18. Jahrhundert seine Aufs und Abs erlebt. Aktuell hat der Liebesroman aber ein ganz besonderes Hoch. Und zwar in einer sehr individuellen Ausformung, der sogenannten Romantasy. Das Wort ist eine Mischung aus Romance und Fantasy: Hier verlieben sich entweder „Normale“ in wahlweise Vampire, Werwölfe, Formwandler oder Hexen – oder „Normale“ entdecken an sich paranormale Fähigkeiten, was die erotischen Verstrickungen mit wieder wahlweise Vampiren, Werwölfen, Formwandlern oder Hexen nicht einfacher macht. Die Romane verdanken ihren gigantischen Erfolg vor allem dem sozialen Netzwerk TikTok, auf dem sich eine große Gemeinde der Lesenden gefunden hat. Mit dem Hashtag (Such-Stichwort) Booktok empfehlen Autoren, Verleger und Fans einander einschlägigen Lesestoff.

Eine der beliebtesten Autorinnen von Romantasy-Geschichten ist die US-Amerikanerin Tracy Wolff. Sie hat eine ganze Serie über eine junge Frau, die sich in einen Werwolf verliebt, und selbst magische Eigenschaften bei sich feststellt, verfasst: „Crave“ heißt der Ausgangsroman, mittlerweile gibt es fünf Fortsetzungen. Die Bücher gingen weltweit dreieinhalb Millionen Mal über den Ladentisch.

Kopierter Werwolf?

Klingt nach einer heute recht typischen Booktok-Karriere, wäre da nicht Lynne Freeman. Die hat ein Buch geschrieben mit dem Titel „Blue Moon Rising“ und es geht um: eine junge Frau, die sich in einen Werwolf verliebt, und selbst magische Eigenschaften an sich feststellt. 2010 habe sie es fertiggestellt, zusammen mit einer Agentin, Emily Sylvan Kim, die Verlagssuche blieb erfolglos. Einem Verlag namens „Entangled“ hatte sie das Manuskript auch geschickt, aber wieder zurückgezogen, nachdem sich ihre und Kims Wege getrennt hatten. Mehr als zehn Jahre später stieß sie in einer Buchhandlung auf „Crave“ – und war erstaunt. Das Resultat war der erste große Rechtsstreit der Booktok-Generation. Denn „Crave“ ist bei „Entangled“ erschienen, Kim war stark mit der Entstehung des Romans befasst. So weit die Indizien.

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Aber tatsächlich offenbart diese juristische Auseinandersetzung eine Problematik, die nicht zuletzt durch die Dynamik von Booktok entsteht. Denn die Plattform dient zwar einerseits der Bewerbung von Büchern, aber sie taugt auch wunderbar zur Analyse dessen, was beliebt ist. Wenn beispielsweise der Hashtag „enemiestolovers“ (deutsch: Feinde verlieben sich ineinander) besonders oft gesucht wird, dann wird er auch von Autorinnen und Autoren (meistens sind sie weiblich) in ihren Büchern verarbeitet. So ist gewährleistet, dass das größtmögliche Publikum angesprochen wird. Verlage, die sich auf diese Art der Literatur spezialisiert haben, wie der erwähnte „Entangled“, arbeiten gezielt mit diesen Motiven.

Keine Kopfgeburt

Man kann sich die Entstehung eines Booktok-Bestsellers also weniger wie eine Kopfgeburt im Schreibkämmerlein vorstellen. Der „New Yorker“ hat es im Fall des inkriminierten Romans „Crave“ nachgebildet – hier haben Verlagsleiterin, Agentin und Schriftstellerin gemeinsam an den jeweiligen Motivmodulen geschraubt, bis ein verkaufsfähiger, booktoktauglicher Text herausgekommen ist.

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Source:: Kurier.at – Kultur

      

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