
In Norwegen ist Renate Reinsve längst ein Star, in Resteuropa noch nicht ganz so lange. Das änderte sich schlagartig, als sie 2021 bei den Filmfestspielen in Cannes für ihre Rolle als schräge Mittdreißigerin in „Der schlimmste Mensch der Welt“ als beste Schauspielerin ausgezeichnet wurde. Nicht nur schnellte ihr Bekanntheitsgrad steil in die Höhe, auch ihre Karrieremöglichkeiten legten einen Zahn zu. Noch am selben Abend schrieb sie am Strand eine Textnachricht an Regisseur Halfdan Ullmann Tøndel: „Vielleicht bekommen wir jetzt eine Finanzierung für unseren Film.“
Cannes machte es möglich, denn „unser Film“ läuft ab Freitag in unseren Kinos: Er heißt „Armand“, gewann prompt 2024 die Goldene Kamera in Cannes und ist das Langfilmdebüt von Halfdan Ullmann Tøndel, dem Enkel des legendären schwedischen Regisseurs Ingmar Bergman und seiner Frau, der norwegischen Schauspielerin und Regisseurin Liv Ullmann. Halfdan Ullmann Tøndels Mutter ist Linn Ullmann, die gerade einen Roman veröffentlicht hat.
Von dem berühmten Großvater aber war am Set keine Rede, im Gegenteil, versichert Renate Reinsve im KURIER-Interview. Halfdan habe sich lange von Filmemachen ferngehalten, eben weil er so einen berühmten Großvater hat: „Er wollte seine eigene Stimme finden.“
Die Rolle der Elisabeth, einer aufgewühlten Mutter eines komplizierten Sohnes, hat ihr der Regisseur auf den Leib geschrieben: „In manchen Momenten ist sie sehr stark, dann wieder ganz verletzlich.“
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Halfdan Ullmann Tøndel, Enkel von Ingmar Bergman.
„Armand“ ist ein Eltern-Schülerdrama und erinnert an Yasmina Rezas Theaterstück „Der Gott des Gemetzels“, das später von Roman Polanski verfilmt wurde: „Ja, daran habe ich auch gedacht“, gibt Reinsve zu, „aber Halfdan kannte dieses Stück nicht.“
Krieg der Eltern
In „Armand“ steht das Verhalten eines Kindes zur Debatte. das zum Krieg zwischen den Eltern führt. Renate Reinsve spielt Elisabeth, alleinerziehende Mutter und von Beruf Schauspielerin. Sie wird in die Schule ihres sechsjährigen Sohnes Armand bestellt und dort von der Klassenlehrerin und einem anderen Elternpaar konfrontiert. Armand hat – angeblich – einen anderen Buben am Klo sexuell missbraucht. Die Eltern, und vor allem Sarah, die Mutter des anderen Kindes, sind empört und erwarten harte Maßnahmen. Lehrerin und Schuldirektor zögern, während Elisabeth die Anschuldigungen in Zweifel zieht.
Halfdan Ullmann Tøndel setzt auf intensive Momente zwischenmenschlicher Auseinandersetzungen und stellt vor allem seinen Star Renate Reinsve als Elisabeth in den emotionalen Mittelpunkt.
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Streit um das Verhalten eines Schülers: „Armand“
Weil Elisabeth von Beruf Schauspielerin ist, unterstellt ihr Sarah manipulatives Spiel mit den Gefühlen anderer. Elisabeth weiß sich mit ihrem Verhalten tatsächlich in Szene zu setzen und erreicht einen Siedepunkt, als sie während der Ansprache des Direktors einen minutenlangen n Lachkrampf bekommt, der schließlich in krampfhaftes Weinen übergeht.
Allein beim Zuschauen stellt sich Erschöpfung ein – und tatsächlich sei diese Szene „unglaublich schwer“ zu spielen gewesen, sagt die 37-jährige Schauspielerin. Zehn Stunden lang habe sie lachen müssen, so lange, bis ihr tatsächlich die Kontrolle entglitt.
Ohnehin wäre es ihr schwer gefallen, eine manipulative Schauspielerin zu verkörpern, „weil ich Sorge hatte, dass Menschen mich aufgrund meines Berufes ebenfalls als manipulativ wahrnehmen.“ Aber die Lust an den extremen Gefühlszuständen, die mit ihrer Rolle einhergingen, hätten auf jeden Fall überwogen.
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Emotionale Tour de Force: Renate Reinsve in „Armand“
„Armand“ verstehe sich …read more
Source:: Kurier.at – Kultur