„Das Tier im Dschungel“ im Kino: Beim Warten auf das Leben vergessen

Kultur

In Patric Chihas Tanzfilm „Das Tier im Dschungel“, inspiriert von Henry James’ Kurzgeschichte, spielen Tom Mercier und Anaïs Demoustier ein Paar, das in einem Nachtclub sein Leben vergeudet

Henry James (1843–1916) und seine Kurzgeschichte „Das Tier im Dschungel“ hat derzeit im Kino Hochsaison. Das Original von 1903, „The Beast in the Jungle“, gilt als die hervorragendste Novelle des amerikanisch-britischen Starschriftstellers. Sie erzählt von der platonischen Beziehung zwischen John Marcher und May Batram, die von einem Geheimnis zusammengehalten wird: Marcher lebt in dem Glauben, dass ihm ein ganz besonderes Ereignis bevorsteht und ihn eines Tages anspringen wird wie ein „Tier im Dschungel“. Gemeinsam mit May, die er als seine Komplizin in seine Vorstellungswelt hinein zieht, aber emotional auf Distanz hält, wartet er auf diesen besonderen Moment und erkennt dabei nicht, dass er sein ganzes Leben vergeudet.

Auf dem gerade beendeten Filmfestival in Venedig zeigte der Franzose Bertrand Bonello mit „The Beast“ seine Version von Henry James’ Novelle über das nicht gelebte Leben. Doch der österreichische Regisseur Patric Chiha war schneller: Bereits im März dieses Jahres eröffnete er mit seinem delirierend-philosophischen, hoch artifiziellen Tanztraktat „Das Tier im Dschungel“ (derzeit im Kino) die diesjährige Diagonale.

Henry James im Club

Patric Chiha, 1975 in Wien geboren und seit seinem 18. Lebensjahr wohnhaft in Paris, sperrte Henry James’ „Beast“ in den glitzernden Dunkelraum eines Pariser Nachtclubs. Dort treffen sich jeden Samstagabend die beiden jungen, schönen Protagonisten John und May – gespielt von dem israelischen Schauspieler Tom Mercier und der Französin Anaïs Demoustier.

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Es beginnt im Jahr 1979: May trifft John zufällig im Club und erkennt ihn von einer früheren Begegnung wieder. Damals erzählte er ihr, dass er auf etwas Schicksalhaftes in seinem Leben warte – und sie beschließt, mit ihm zu warten.

Die Jahre vergehen. François Mitterand wird gewählt, AIDS bricht aus, Klaus Nomi stirbt und die Berliner Mauer fällt. Auf der Tanzfläche wogen die Klubbesucher zur Musik zwischen Disco und Techno weiter. Während May anfänglich noch ins Meer der Menge eintaucht, hält sich John als distanzierter Beobachter am Rande. Mehr und mehr zieht er sie an seine Seite, bis auch May schließlich nur noch bleich am Rande der Tanzfläche verweilt und mit John dem Leben der anderen zusieht.

Filmgarten

Anaïs Demoustier als May im Tanzrausch: „Das Tier im Dschungel“

Offene Geheimnisse

„Das Buch von Henry James ist sehr vielschichtig. Wir als Schauspielende mussten akzeptieren, dass wir nicht alles verstehen und für ein Geheimnis offenbleiben müssen“, sagt Anaïs Demoustier im KURIER-Gespräch über ihre Rolle als ewig wartende May: „Manchmal glaube ich, dass es das Tier gar nicht gibt und die beiden auf nichts warten. Es ist wie eine Metapher für das Leben und die Frage: Warum sind wir hier?“

Auch Filmpartner Tom Mercier kann der schwebenden „Liebesgeschichte“, die sich nie wirklich erfüllt, einiges abgewinnen: „Wie viele Menschen gibt es, die sich über 25 Jahre auf so besondere Weise nahe stehen?“

Für Mercier ist „Das Tier im Dschungel“ seine zweite große Filmrolle. Der 29-jährige Israeli wurde von seinem Landsmann, Regisseur Nadav Lapid, entdeckt. In Lapids „Synonymes“ verkörpert er einen Israeli, der sich von Israel lossagt, in Paris ein …read more

Source:: Kurier.at – Kultur

      

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