Festwochen: Selbst eine Schweigeminute sorgte für höchste Spannung

Kultur

„Es sind Texte, die außerhalb der Zeit geschrieben wurden“, sagt der argentinische Theatermacher Guillermo Cacace über das Werk des russichen Dramatikers Anton Tschechow. Dessen 1896 uraufgeführte „Die Möwe“ ist unverwüstlicher Theaterstoff. Eben erst brillierte Cate Blanchett in Thomas Ostermeiers Londoner Inszenierung. 

Zeitlos ist auch die im Stück geäußerte kritische Haltung Konstantin „Kostja“ Treplews am Theater: „Wir brauchen neue Formen, und wenn sie nicht da sind – dann lieber gar nichts.“ Auch über die herkömmlichen „Zimmer mit den drei Wänden“ beschwert sich der unglückliche Jungliterat.

Bei Cacace sitzen Publikum und Schauspielerinnen innerhalb der vier Wände des Nestroyhof Hamakom. Ein Teil der Zuschauer nimmt um den quadratischen Holztisch herum Platz, an dem das Ensemble  agiert. Auch das restliche Publikum sitzt, auf vier Seiten verteilt, extrem nahe am Geschehen. Und dieses spielt sich nur in Stimme, Mimik und Gestik ab. Die Emotionen sollen laut Programmheft zirkulieren – und tun es auch, trotz der Sprachbarriere. Selbst die Schweigeminute für die Opfer von Graz, um die Milo Rau eingangs bittet, wirkt in dem Setting sehr stark. Man blickt auch in die Gesichter der Zuseher gegenüber.

Francisco Castro Pizzo / Francisco Castro Pizzo

Muriel Sago als Kostja.

Zu Beginn erläutert Cacace, der auch Mileis Kulturpolitik in Argentinien geißelte, den Entstehungsprozess von „Gaviota“: Mitten in die Arbeit an der Textfassung durch Juan Ignacio Fernández platzte im März 2020 die Corona-Pandemie, man probte monatelang nächtens via Zoom. Diese Produktionsbedingungen wirken nach, doch wich die damalige Distanz hier einer ungeheuren Nähe. Intensiviert noch durch elegische bis arienhafte Lieder.

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Fünf Frauen

Fünf Frauen wählte Cacace aus, „genau diese Persönlichkeiten mit ihrer Empfindsamkeit“ als einziges Kriterium. Mascha (Clarisa Korovsky)  wird von der Nebenfigur zur Erzählerin. Aus dem eindringlich agierenden Ensemble (Marcela Guerty als Trigorin, Raquel Ameri als Arkadina) ist Muriel Sago (Kostja) als besonders fulminant hervorzuheben. Romina Padoa sieht als Nina plötzlich den am Tisch sitzenden Festwochen-Intendanten  an und sagt auf Spanisch: „Bin ich eine gute Schauspielerin?“ – Rau nickte nur kurz. 

Einer von vielen Momenten höchster Spannung, die sich am Ende in langen Jubel entlud. Sichtliche Freude bei allen Protagonistinnen und dem Publikum inklusive Rau.   

 

 

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Source:: Kurier.at – Kultur

      

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