Viennale: Die Brüder Ramon und Silvan Zürcher über ihren Film „Der Spatz im Kamin“, in dem alte Traumata hochgekocht werden
Katze, Spinne, Spatz. Das sind die drei titelgebenden Wesen in der sogenannten Tier-Trilogie der Schweizer Zwillingsbrüder Ramon und Silvan Zürcher. Wobei die Titel – „Das merkwürdige Kätzchen“ (2013), „Das Mädchen mit der Spinne“ (2021) und „Der Spatz im Kamin“ (2024) – täuschen: Noch viel lieber als mit der Tierwelt beschäftigen sich die Brüder mit zwischenmenschlichen Beziehungen und den Spannungen, die diese durchziehen. Partnerbeziehungen, Beziehungen zwischen Freundinnen und natürlich die Beziehungen innerhalb der Familie.
In „Der Spatz im Kamin“ machen sie eine Familienzusammenkunft aus Anlass des Geburtstags des Hausherrn zu großem Theater: zur Austragung jahrelang schwelender Konflikte und dem Hochkochen alter Traumata, kurz: dem schmerzhaften Aufarbeiten der Familiengeschichte.
EPA/JEAN-CHRISTOPHE BOTT
Silvan (l.) und Ramon Zürcher
„Eine Familie ist wie ein Baum. Ein lebender Organismus, umrankt von verschiedenen Pflänzchen“, so Ramon Zürcher, der Regie führte und das Drehbuch schrieb. „Es gibt da dieses unsichtbare, unterirdische Wurzelgeflecht, das alle verbindet. Das ist per se schon interessant, weil es ja innerhalb einer Familie so unterschiedliche Individuen gibt. Und es gibt sowohl eine Vergangenheit jedes Einzelnen als auch eine kollektive Vergangenheit. Deswegen ist aus filmischer Sicht eine Familie ein unglaublich reichhaltiges und spannendes Terrain, um menschliche Abgründe zu beleuchten“.
Im Mittelpunkt der Familiensaga steht Karen, die Mutter (großartig: Maren Eggert), die in ihrem Frust über das, was sie aus ihrem Leben (nicht) gemacht hat, wie versteinert wirkt. Unfähig, Liebe zu geben, entgleiten ihr die Kinder, und der Mann sucht sich eine andere. Dennoch ist Karen fähig zu Selbstreflexion und -kritik, sie bereut, ohne aus ihrer Haut raus zu können. „Maren Eggert fanden wir für die Rolle der Karen sehr treffend, weil sie diese passende Mischung aus einer Projektionsfläche, in die man sehr viel hineinlesen kann, und ausgeprägter Sensibilität bietet. Die Figur, so wie sie geschrieben ist, tendiert zu einer gewissen Härte und Dunkelheit, ja Schwermütigkeit. Da fand ich das Potenzial zu Sensibilität und Wärme sehr wichtig. Ich wollte keine einseitige und flache Figur.“
Auch der Rest des Casts ist mit Bedacht gewählt – von Ilja Bultmann als sensiblem, leidendem, in der Schule gemobbten Sohn Leon über Schwester Jule (Britta Hammelstein) bis zur Nachbarin Liv (Luise Meyer), die mit Karens Ehemann eine Affäre pflegt. Der wichtigste Protagonist ohne Namen ist jedoch das Haus, in dem sich alles abspielt. Das alte Haus der Großmutter, das auf den ersten Blick mit seinem großen Garten und dem angrenzenden Wald so idyllisch wird, legt sich wie ein Fluch über alle. Der Geist des Hauses, das ist schnell klar, ist kein guter.
„Beim Schreiben des Drehbuchs habe ich das Haus nicht mitgeschrieben und mich auf die Figuren konzentriert. Aber der Gedanke war schon da, dass das Haus zusammen mit der verstorbenen Großmutter immer präsenter wird. Und ich hatte auch den Gedanken des Haunted Houses, des Gespensterhauses, den ich sehr mochte“, sagt Ramon Zürcher. „Bei der Suche nach dem Haus war es und sehr wichtig, dass es etwas Singuläres hat. Alleine in der Landschaft …read more
Source:: Kurier.at – Kultur