Filmkritik zu „Bonhoeffer“: Gewissen, Mut und Thriller

Kultur

Umstrittenes Bio-Pic über den evangelischen Pfarrer Dietrich Bonhoeffer, der Widerstand gegen die Nazis leistete

Von Gabriele Flossmann

Der Film erzählt vom Leben des evangelischen Pastors und Widerstandskämpfers Dietrich Bonhoeffer, der sich früh gegen das NS-Regime auflehnte. Wegen seiner Beteiligung am Widerstand gegen Hitler wurde Bonhoeffer kurz vor Ende des Zweiten Weltkriegs von den Nazis hingerichtet.

Was den Film schon vor dem Kinostart so kontrovers machte, war und ist die Instrumentalisierung Bonhoeffers durch rechte Evangelikale. Für sie ist Bonhoeffer ein Prophet für den Widerstand gegen den übermächtigen liberalen Staatsapparat.

Wie ein Großteil der Geschichten und Filme über das Dritte Reich und den Holocaust will auch dieser Film „warnen“ vor erneuten Gefahren. Auf den ersten Blick wirkt auch dieser Film diesbezüglich „edel“, doch bei näherem Hinsehen trivialisiert er das Thema in Richtung Thriller. Bonhoeffer hatte einst seine Kanzel genutzt, um gegen die Übel des Nationalsozialismus zu wettern, als die Kirche – die evangelische wie auch die katholische – sich diesbezüglich mehr als nur zurückhielt. Was „Bonhoeffer“ von den unzähligen lehrreichen Holocaust-Biografien und Melodramen unterscheidet, ist sein Timing: Das amerikanische Publikum wird zuvor noch kaum einen Film über Deutschland und Österreich während des Zweiten Weltkriegs gesehen haben, in dem so klar gezeigt wird, dass die Mehrheit seiner Wählerschaft für den Faschismus gestimmt hat.

Zu Beginn, als er rein biografisch ist, wirkt der Film-Bonhoeffer in allem etwas übertrieben: zu ernst, zu feierlich oder zu fröhlich –– alles Todsünden des Kinos, die die „Botschaft“ durchsichtig machen. Der junge Dietrich war frühreif, ein Zwilling, ein Klaviergenie, das seinen geliebten älteren Bruder im Ersten Weltkrieg verlor. Er studierte am Union Theological Seminary in New York und war stark von der Energie der afroamerikanischen Spiritualität geprägt. Saß er tatsächlich mit jemandem in Harlem zusammen, der verdächtig nach Louis Armstrong aussieht?

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Erst als „Bonhoeffer“ zum Abenteuer wird – indem sich der Held auf die theologische Schusslinie zwischen den Lehren Christi und denen von „Mein Kampf“ begibt –, gewinnt der Film an Zugkraft und wird nicht nur zu einer Feier von Gewissen und Mut, sondern zu einem Thriller.

„Gottes Wort besagt, dass die Menschen ihre Feinde dadurch besiegen sollen, dass sie sie lieben“, sagt einer seiner Kameraden und gibt damit Dietrichs eigene Worte zurück. David habe Goliath erschlagen, antwortet Dietrich. „Ist Hitler der erste böse Herrscher seit der Entstehung der Heiligen Schrift?“, fragt derselbe Kamerad, was Dietrich verneint. „Aber er ist der Erste, den ich stoppen kann.“

INFO: BEL/IRL/USA 2024. 133 Min. Von Todd Komarnicki. Mit Jonas Dassler, August Diehl. 

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Source:: Kurier.at – Kultur

      

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