Fünf Hamlets im Burgtheater: Es ist etwas viel im Staate Dänemark

Kultur

Erste Inszenierung unter dem neuen Burg-Chef Stefan Bachmann ist gut angekommen: Hamlet ist hier Viele.

Hamlet, das ist der Erz-Zerdenker, der durch das Grübeln Handlungsberaubte, der allergrößte Zögerer und Zauderer der Theatergeschichte. Regisseurin Karin Henkel hat bei der ersten Burgtheater-Premiere unter dem neuen Chef Stefan Bachmann eine einleuchtende Erkärung für dieses Unvermögen des dänischen Prinzen, zu einem Ergebnis zu kommen: Hamlet ist bei ihr ein Gruppenprojekt, ein Teamwork, und jeder weiß, dass so etwas nie zu etwas führt.

Bei Hamlet steht hier, wie beim Disney-Sommerkinohit, alles Kopf: Er hat sich, blöd aber auch, in fünf Teile zerdacht, die verschiedene Aspekte des Hamlet-Seins abbilden und damit natürlich auch die Rezeptionsgeschichte des Shakespeare-Überklassikers reflektieren. Es gibt den Zauderer-Hamlet, den Ach-Was-Hamlet, den tränennahen Hamlet, den Hamlet, aus dessen Sprachrippe die Ophelia gerissen wird, und den „Hör mal, wer da hämmert-„Männerhamlet, der sogar mit der Elektrosäge umzugehen weiß. Sie sind wie ein sich permanent wandelndes Puzzle, das niemals zusammenpassen will, ein Menschenscherbenhaufen, aus dem es glitzert, den aber kein Kitt mehr zusammenfügen kann. 

Es beginnt gleich einmal mit einem Anschiss: Zwei Dutzend Theatergespenster stehen auf der Bühne, und als sie im Chor Hamlet zur Rächung des Vaters aufrufen wollen, reißt sich einer das Tuch vom Kopf und beginnt, über ihre Schauspielkünste zu keppeln; Michael Martens ist es, und es ist eine der überraschenden Stärken dieses Abends, dass sich hier das zögernde Hamlet-Quintett dem allerallergrößten Zaudermeister gegenüber sieht. Maertens geht als mörderischer Onkel Claudius voller Energie in jeden Satz, und wird spätestens in der Mitte vom Zweifel, von der kleinbürgerlichsten aller inneren Monarchenschwächlinghaftigkeiten eingeholt. Er meint es doch alles gar nicht so, das mit dem Brudermorden und Kronestehlen und auch noch dessen Frau Heiraten. Was für ein wundersames, zartes Match des Nichts-Zuendebringens.

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Burgtheater/Lalo Jodlbauer

Es sollte die Theaterhaftigkeit des Hamlet eines der Themen des Abends bleiben. Die Hamlets stallierten einander aus – spiel‘ das nicht so, sondern so, hör auf zu grimassieren! Natürlich muss die Kunst sein, heißt es am Anfang, und das ist für die ersten Sätze einer neuen Burgtheaterchefsamtszeit eine große Ansage. 

Das war, wie der ganze Abend trotz großer Düsternis, oftmals ziemlich lustiger Schauspielerklamauk, aus dem sich aber homogen das durchaus schlüssige Konzept des Abends schälte: Hamlet macht sich die Welt zwar nicht, wie sie ihm gefällt, aber wie er sie verachtet; er ist selbst Ophelia und Rosenkranz und Güldenstern und Polonius und er ist auch jeder Abgrund, durch den Shakespeare ihn treibt: Ach, könnte er nur schlafen; aber bis dahin stürmt es in seinem Kopf voll Horror.

Diesen Horror bringt Henkel mit fast schon sarkastischem Einsatz von viel Theaterblut unter die Leut‘: Kaum sinniert Hamlet über den Halsstich am Onkel, rinnt das Blut; das kann einer allein ja gar nicht aushalten, am Schluss gilt es, Dutzende tote Hamlets einzufärben. Also braucht es viele: Katharina Lorenz spielt die weltabgewandte, verlorene Seite des Hamlet; Benny Claessens den resolutesten, Tim Werths den, der am Nähesten am Handeln ist, der die erträumte Tat nicht aufgeben kann und dem man sie auch zutrauen würde. 

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Source:: Kurier.at – Kultur

      

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