
Von Susanne Zobl
Mit 21 Jahren ließ der junge Wiener Pianist Lukas Sternath den Klassikbetrieb aufhorchen. Er gewann den renommierten ARD-Musikwettbewerb und alle sieben Sonderpreise dazu. Der Musikverein widmet ihm in der nächsten Saison eine Konzertreihe. Als ECHO-Rising-Star tourte er in den vergangenen Monaten durch Europa und gastiert heute im Mozart-Saal des Konzerthauses.
Diese Anerkennung nennt er im KURIER-Interview „ein Nebenprodukt meiner Liebe zur Kunst“, und bescheiden fügt er hinzu: „Es ist ein ganz großes Privileg und es war eine wunderbare Zeit. Ich habe viele wunderbare neue Leute kennenlernen und neue Erfahrungen machen dürfen.“ Im Gespräch stellt sich rasch der Eindruck ein, dass dieser Pianist mehr will als lediglich seine Virtuosität ausspielen. Eine Art philosophischer Zugang ist seinem aktuellen Programm anzumerken. Mit Werken von Sofia Gubaidulina, Brahms, einer Komposition der Geigerin Patricia Kopatchinskaja (PatKop) und Liszts Sonate in h-Moll führt er durch die Epochen. Die Idee dahinter sei, „die verschiedenen Zeitzonen, Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft verschmelzen zu lassen“.
„Es geht um die Frage, woher kommen wir, also den Blick zurück – aber mit der Tonsprache von heute, und was machen wir damit?“, kommentiert er die Zusammenstellung seiner Werke. Dass Daniil Trifonov ziemlich genauso alt war wie er jetzt, als er in der Carnegie Hall Liszts h-Moll-Sonate einspielte, und ihn manche mit ihm vergleichen könnten, stört ihn nicht. „Das ist eine fantastische Aufnahme“, sagt er und fügt hinzu: „Es steht doch jedem frei, zu vergleichen, was er will. Das spielt für mich persönlich keine Rolle. Ich würde mir wünschen, dass die Antennen offen sind, dass man empfänglich ist und nicht mit Scheuklappen durchs Leben geht. Dann hat man zumindest meiner Erfahrung nach ein erfüllteres Leben. Und das ist doch das, wonach wir streben. Aber das ist das Angebot der Kunst. Ich bin nur der Vermittler.“
Stimme und Klavier
Mit fünf Jahren begann Sternath Klavier zu lernen. Die einfachen Übungen waren ihm nicht genug. Ein Lehrer führte ihn in die Welt des Jazz. Als er am Ende seiner Volksschulzeit auf Youtube einen französischen Knabenchor entdeckte, wusste er, was er wollte. Er kam zu den Wiener Sängerknaben.
Nach dem Stimmbruch rückte wieder das Klavier ins Zentrum. 2022 kam er zu Igor Levit an die Hochschule in Hannover. Der wurde sein Mentor. Im Sommer führen die beiden bei den Salzburger Festspielen die Klavierfassung von Schostakowitschs 10. Symphonie auf.
Wie grenzt man sich von so einem Giganten ab? Das sei sehr einfach, erklärt Sternath. „Levit gibt mir das Werkzeug an die Hand, komplett selbstständig zu sein. Er kennt mich jetzt sehr gut und weiß, was mir in einem bestimmten Moment hilft. Er will auch wissen, was ich will, und will mir dann helfen, das zu verwirklichen. Insofern ist er eine Art Booster für mich.“
Und was geht in ihm vor, wenn er sich im Konzertsaal ans Klavier setzt? „Das ist wie eine Umarmung. Das ist für mich der Urzustand des Im-Moment-Seins.“
Source:: Kurier.at – Kultur