
Damien Hirst ist jener Künstler, der eigentlich keine Institutionen braucht. Die Regeln des Kunstmarkts hebelte er 2008 aus, als er seine Werke in einer Auktion an seinen Galerien vorbei direkt an Sammler verkaufte.
Auf Museen ist der britische Starkünstler auch nicht wirklich angewiesen: Seine superreichen Fans sponsern ihm Ausstellungsspektakel wie jenes im Jahr 2017, als Hirst die Museen des Milliardärs François Pinault in Venedig mit gigantischen, angeblich aus einem Schiffswrack geborgenen Schätzen vollstellte.
Dass die Albertina modern nun eine Schau zeigt, die bei aller Breitentauglichkeit keine weitere Abspielstation des mitunter schaubudenhaften Outputs von Hirsts Kunstfabrik ist, nährt eine Hoffnung: Man kann den Überfliegern des Betriebs mit guten Ideen, Seriosität und kritischem Blick beikommen und muss nicht vor deren Prominenz und Marktmacht kapitulieren.
Damien Hirst and Science Ltd. / BildrechtImmer noch Papier
In Wien gelingt das mit dem Fokus auf Hirsts Zeichnungen: Solche fertigt der Künstler, der 1988 die legendäre Ausstellung „Freeze“ organisierte und damit den Startschuss für den Hype um die sogenannten „Young British Artists“ gab, seit jeher an – obwohl seine Kunst längst in einem arbeitsteiligen Prozess entsteht.
Die Skizzen auf Schmierzetteln und Blöcken, die teils Ideen für Hirsts berühmte, in Formaldehyd eingelegte Tiere enthalten, machen aber nur einen Teil des Oeuvres aus. Hirst setzt Zeichnungen auf verschiedene Weisen ein: Neben Ideenskizzen und Entwürfen für die Werkstatt sind sie auch Dokumentationen ausgeführter Werke und denken diese jenseits praktischer Überlegungen weiter.
Dass die Schau in der Albertina modern (bis 12. 10.) ermöglicht, „anhand der Zeichnungen eine Retrospektive zu durchschreiten“, wie Kuratorin Elsy Lahner sagt, ist tatsächlich ein Alleinstellungsmerkmal. Der Fokus auf Papier umfährt auch das Angeberische, das Hirsts Werke oft in die Nähe von extrem hochpreisigen Modeaccessoires rückt: Den diamantbesetzten Totenkopf („For The Love of God“, übersetzt: „Um Himmels Willen“), den Hirst 2007 mit kolportierten Materialkosten von 14 Millionen Pfund ausführte, gibt’s hier nur in Bleistiftausführung.
Damien Hirst and Science Ltd. / BildrechtPreis und Wert
Dafür macht die Schau transparent, wie der demnächst 60-Jährige durchaus virtuos mit Erwartungen spielt, die die Gesellschaft an Kunst und Künstler richten. Jenen, die meinen, Kunst solle originell sein, bietet Hirst eine rotierende Maschine, mit der alle, die wollen, selbst Kreisbilder herstellen können.
Damien Hirst and Science Ltd. / Bildrecht
Tatsächlich sind auch nicht alle Zeichnungen in der Schau von Hirsts eigener Hand – insbesondere für die erwähnte Venedig-Schau 2017 entstanden wohlkalkulierte Werkstattbilder, die, mit Tinte auf Pergament ausgeführt, den Eindruck erwecken sollten, alt und kostbar zu sein. Aufgedruckte Logos von Luxus-Automarken stellten diese Assoziation dann auch gleich wieder auf den Kopf.
Eines dieser Hirst-Blätter zitiert übrigens Dürers „Betende Hände“ aus der Albertina-Sammlung. Ein Ankauf sei aber nicht geplant, sagt Kuratorin Lahner. Auch eine Schenkung scheint nicht in Sicht. Dafür hat sich Hirst vom Museumssystem dann wohl doch zu weit entfernt.
Source:: Kurier.at – Kultur