Jedem sein Nitsch: Orgie in Prinzendorf, Ordnung in Mistelbach

Kultur
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Es ist soweit: Vom Sonnenaufgang des Pfingstsamstags bis zum Sonnenaufgang am Dienstag wird auf Schloss Prinzendorf/NÖ der dritte Teil des 6-Tage-Spiels aufgeführt. Das Opus Magnum von Hermann Nitsch wurde erstmals 1998 umgesetzt, an der Neufassung arbeitete der Aktionskünstler bis zu seinem Tod 2022. Danach entschied seine Witwe Rita, das Großereignis auf drei Jahre zu verteilen. 

Doch selbst derart portioniert ist das Hauptwerk des von Nitsch konzipierten „Orgien Mysterien Theaters“ eine Überforderung – und wer den Einsatz an Material und menschlichen Körpern, an Klängen, Gerüchen und Farben entlang der genau choreografierten rituellen Abläufe in Prinzendorf einmal erlebt hat, wird wissen, dass dieser Überschwang vom Künstler absolut beabsichtigt war. 

Um Nitsch in wirklich kleine Portionen zu zerhacken, braucht es also Karlheinz Essl. Der Unternehmer und Sammler war über Jahrzehnte ein Bewunderer des Wiener Aktionisten, er kaufte zahlreiche Werke, ließ ihn 1997 im Schömer-Haus – der Zentrale des von Essl aufgebauten Baumax-Konzerns – eine große Malaktion realisieren und setzte sich damit durchaus auch dem Unmut der Volksseele, die bei der Nennung des Namens „Nitsch“ lange Zeit reflexartig überkochte, aus. 

So etwas, kann man sich vorstellen, schweißt zusammen. Eine Publikation dokumentiert nun Auseinandersetzungen und Erlebnisse der beiden, erzählt von Reisen, Ausstellungsbesuchen und Entdeckungen.

Agnes EsslSein Nitsch muss nicht dein Nitsch sein

„Mein Nitsch“ heißt das Buch – und auch das Denkma, das Essl seiner Beziehung zu dem Künstler im Nitsch Museum Mistelbach errichtet hat. Oder sollte man sagen: Die Gedächtniskapelle? Solcherart ist der Parcours in dem langschiffigen Bau, an dessen Stirnseite ein riesenhaft vergrößertes Nitsch-Porträt hängt, nämlich strukturiert. An den Seitenwänden sind 14 „Stationen“ – dass die Zahl mit jener eines kirchlichen Kreuzwegs übereinstimmt, sei auch den Raumverhältnissen geschuldet, treffe sich aber gut, sagt Essl auf Nachfrage.

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Ein theologischer Überbau ist jedenfalls vorhanden, er fußt in zahlreichen Gesprächen, die Essl – selbst praktizierender Protestant – mit dem katholisch verwurzelten Nitsch führte, der sich selbst gern als verhinderten Kirchenmaler sah. Ein rein weißes Bild – aus einer Werkserie, die Nitsch erst spät in seinem Leben malte – fungiert gemeinsam mit dem Bibelzitat „Am Anfang war das Wort“ als Anker. Von hier aus kann man das Wunder der Nitsch-Schöpfung abschreiten, die einzelnen Stationen entlang. 

Der Pate

Das Problem: Der Pfad ist in seiner Anmutung übermäßig belehrend. Dass Essl – mit der „Carte blanche“ des Museums offenbar gegen kuratorische Beratung immunisiert – sich dazu entschloss, einzelne Nitsch-Werke schräg verdreht aufzuhängen, bremst die Wirkung der Bilder. Anliegen des Sammlers war es dabei, den flüchtigen Blick zu verankern, doch diese Intervention fühlt sich bevormundend an, so als würde die Hand des Firmpaten an der Schulter ein bisschen zu stark zupacken. 

Josef Schimmer

Dass die einzelnen Werke – gepaart mit Nitsch-Messgewändern und Ritualtischen – noch in Großbuchstaben annotiert sind, verstärkt das didaktische Drängen unweigerlich. Essl greift dazu auf Vermittlungstechniken zurück, die Besuchern des von ihm und seiner Frau Agnes gegründeten und bis 2016 unter deren  Ägide geführten Museums (heute: Albertina Klosterneuburg) bekannt sein werden: Zu einzelnen Überthemen („Heilung“, „Natur“ „Lebensbejahung“ „Farbenpracht“) sind Nitsch-Zitate gestellt, die wiederum von Texten einiger geladener Autorinnen und Autoren (Ann Cotten, Michael Stavarič) …read more

Source:: Kurier.at – Kultur

      

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