Josefstadt-Premiere: Alpenkönig Van Helsing bittet zur Therapie

Kultur

„Der Alpenkönig und der Menschenfeind“ im Theater in der Josefstadt ist eine sympathische Unterforderung mit Retro-Flair.

Was passiert, wenn sich einer immer mehr zurückzieht? Er entfremdet sich. Entwickelt womöglich einen Verfolgungswahn. Sieht Feinde und Gespenster, wittert im schlimmsten Fall Verschwörungen. Er wird zum Menschenfeind, der „nix braucht von den Leuten“.

Ein heutzutage häufig anzutreffender Typ. Wer will, kann in diesem Menschenfeind auch ein Geschöpf der Pandemie erkennen. Im wirklichen Leben ist noch kein Alpenkönig aufgetaucht, der den vielen Menschenfeinden, die überall herumrennen, die Möglichkeit zur Selbsterkenntnis geboten hätte. Und Josef E. Köpplingers Inszenierung von Ferdinand Raimunds Biedermeierstück „Der Alpenkönig und der Menschenfeind“ im Theater in der Josefstadt tut auch erst gar nicht so, als wolle sie aktuell oder gar originell sein.

Sie vertraut von vorne bis hinten auf wohlige Patina und die Behauptungen von „Romantik“ und „Komik“ dieses „Zauberspiels“– das als Saisonauftakt taugt und, wenn erst einmal etwas mehr Routine hereinkommt, gewiss das Zeug zum nicht sehr anspruchsvollen, aber sympathischen Publikumsrenner hat. 

Köpplinger, der über Raimund-Erfahrung verfügt, hat sich nicht rasend viel einfallen lassen, aber er hat Raimund ein paar augenzwinkernde kulturelle Verweise hinzugefügt. Ein bisserl Dracula, ein bisserl „Ein Käfig voller Narren“, ein bisserl Ernst Marischka.

Nach einer Einleitung wie aus einem  alten Leinwandschinken – Raimund-Zitate vor einer Alt-Wien-Ansicht zu Livemusik–  fallen Alpenkönig Astragalus und seine Adjutanten-Geister wie ein Fledermaus-Ballett vom Himmel (Bühne: Walter Vogelweider). Sie tragen lange Mäntel und Chef-Geist Astragalus (Günter Franzmeier) ähnelt mit langem Zauselhaar und Hut dem Dracula-Jäger Van Helsing (Kostüme: Alfred Mayerhofer). 

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Ähnlich  streng-forsch wie dieser wird er dann  nicht nur den Menschenfeind gewordenen Rappelkopf in Cowboy-Manier therapieren, sondern auch die Leute im Publikum ein bisserl erschrecken, wenn er plötzlich hinter ihnen auftaucht. 

APA/MORITZ SCHELL

 Günter Franzmeier (Astragalus, der Alpenkönig) und den Alpengeistern im Theater in der Josefstadt.

Im Gegensatz dazu kann einem  der jammernde Rappelkopf (Michael Dangl) fast schon leid tun. Er wirkt in seiner schieren Verzweiflung über die Welt an sich erschöpft. In seinem Wahn über die vermeintlich bösen Absichten aller erscheint er weniger als polternder Ungustl denn als ein ehrlich Verzweifelter. 

Geraunzt wird reichlich, allen voran über die Frauen. Die vorletzte ist ihm „vor Bosheit“ weggestorben und die derzeitige, die vierte, ist angeblich „vier Mal so falsch“ wie die vorherigen. Dass diese (Alexandra Krismer) ihn immer noch mag, ist ein Wunder, das er am Ende gerade noch rechtzeitig erkennt, nachdem ihm der Alpenkönig einen Spiegel vorgehalten hat und in Leuchtschrift das Wort „Erkenntnis“ auf Bühne auftaucht. Die Grobheit, mit der dem Rappelkopf zu dieser verholfen wurde, war vielleicht etwas derb, aber immerhin, im Gegensatz zum ersten Teil des Abends, deutlich zu verstehen.

„Ich war zwei Jahr‘ in Paris“

Die dankbarsten Rollen hat wie so oft die Dienerschaft, die, wie im kritischen Volksstück üblich, gescheiter als die Herrschaft ist. Sie darf Wienerisch reden und hat die Bonmots, auf die das Publikum wartet, auf ihrer Seite. Hier ist’s Diener Habakuk (Johannes Seilern), der mit seiner Behauptung „Ich war zwei Jahr‘ in Paris“ einen Schlager liefert und erst unter Druck zugibt, dass Paris genau genommen Stockerau war. Nadine Zeintl interpretiert das Zimmermädchen Lischen als freches, leicht verschlagenes …read more

Source:: Kurier.at – Kultur

      

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