
Eines der Erfolgsgeheimnisse von Rockfestivals: Sie boten seit Woodstock das Versprechen einer Auszeit von den Zwängen der Zivilisation, wie Oberbekleidung zu tragen, den Alkoholkonsum an bestimmte Tageszeiten zu koppeln und feste Nahrungsaufnahme. Im, je nach Wetter, Gatsch oder Staub des Festivalgeländes konnte die Stadt- und die Landjugend gegen Entrichtung des Ticketpreises kurz das vermeintlich freie Leben konsumieren, bevor sie wieder in die jeweiligen Zwänge (Schule, Eltern, täglich duschen) zurückkehrte.
Dementsprechend waren Festivals und Anspruchsdenken nicht unbedingt kompatibel: Bei Festivals gab es lange Zeit in der Hauptsache zwei Angebote, laute Musik und die Erfüllung existenzieller Mindestanforderungen (Klo, Schlafen, Bierausschank).
Dass sich das in den vergangenen Jahren ordentlich geändert hat, ist bekannt:
Festivals wurden nach und nach zum Rundum-Jahrmarkt, mit Ringelspiel, Krims-Krams-Geschäften, veganem Essen und Luxuscamping. Längst ist das Publikum nachgealtert, beim Nova Rock sitzen die frühen Festivalgänger von einst inzwischen mit ihren eigenen Kindern im Biergarten (ja, den gibt es am Gelände, mit allerlei Spezialitäten aus dem Burgenland).
Die Anforderungen sind gewachsen, die Ansprüche auch. Festivals sind vom Abenteuer- zum Pauschalurlaub geworden – was man auch an den streng nach oben schnalzenden Eintrittspreisen merkt. Der sommerliche Rockzirkus ist längst durchkommerzialisiert, auch, weil der Live-Markt inzwischen der einzig wirklich lukrative für die Bands selbst ist und sie daher immer höhere Gagen verlangen.
Und mit dieser Preis- und Angebotsspirale hat ein Phänomen Einzug gehalten, das jeder Reiseveranstalter kennt: Der Beschwerdechor, der online längst zum Headliner fast aller Festivals geworden ist.
Nun ist das Internet ja gemeinhin nicht der Ort, den die Menschen aufsuchen, um einander Positives zu erzählen. Wer aber die dortige Begleitmusik zu den großen Festivals im In- und Ausland mitliest, der bekommt ein fatales Bild vom Festivalzirkus, das – Stichwort: Eltern, die schauen, was der Nachwuchs um hunderte Euro so tut – zunehmend zum Imageproblem wird.
So waren die beiden großen deutschen Schwesternfestivals, Rock im Park und Rock am Ring, heuer von harscher Kritik begleitet: Die Organisation wurde vehement angegangen, besonders Rock im Park stand und steht im Online-Kreuzfeuer. User berichten von langen Schlangen, zu wenigen Klos und organisatorischen Mängeln bezüglich der Besucherströme, die immer wieder als gefährlich empfunden wurden.
EPA/RONALD WITTEK
Wie brisant das vor Ort war, ist im Nachhinein schwer feststellbar. Ein Pressesprecher verwies auf die besonders gute Stimmung heuer. Dass aber die Besucher eher mit negativen Erfahrungen online gehen als mit positiven, hat das Bild dieses Festivals heuer schon stark nachgedunkelt – und birgt die Frage, ob dieses Image nicht zum Problem für die kommenden Jahre wird.
Davon kann das Lido Sounds in Linz auch ein Lied singen. Dass es heuer beim jungen Linzer Festivals nur eine Bühne gab statt bisher zwei, darüber äußerten online vor allem jene ihren Unmut, die schon nach der Ausgabe 2024 ihr Ticket für heuer kauften. Zusätzliche Kritik gab es an langen Wegen und dem Line-Up, auch die Anrainer sind nicht nur positiv gestimmt. Die Zukunft ist nach der dritten Ausgabe eher offen: Die Festivalleitung will nach einer Evaluierung entscheiden, „wo, wann, wie geht’s weiter“, dabei spiele das Feedback der Fans auch eine große Rolle, hieß es laut APA.
APA/GEORG HOCHMUTH
Bei diesem Feedback kann …read more
Source:: Kurier.at – Kultur