Die Burgschauspielerin ist derzeit als alleinerziehende, suchtkranke Mutter in Ulrike Koflers Filmdrama „GINA“ zu sehen
Marie-Luise Stockinger ist eine jener Schauspielerinnen, die man nicht sehr oft im Film und Fernsehen sieht. Außer vielleicht als „Maria Theresia“ in Robert Dornhelms TV-Vierteiler; oder jetzt gerade im Kino – als alleinerziehende Frau und Mutter dreier Kinder in Ulrike Koflers Drama „GINA“.
Der Grund für die eher seltenen Ausflüge ins Filmgeschäft liegen darin, dass Marie-Luise Stockinger fix am Wiener Burgtheater engagiert ist: „Die Arbeit am Theater finanziert mein Leben“, sagt die Schauspielerin aufgeräumt im KURIER-Interview: „Wäre ich eine freie Schauspielerin, müsste ich versuchen, viel mehr zu drehen, egal was, schon alleine deswegen, um über die Runden zu kommen. Insofern empfinde ich es als Privileg, wenn ich drehen darf und es mir leisten kann, auszuwählen.“
Mit der Mutterfigur der Gitte in „GINA“ – so heißt die älteste Tochter der Familie – hat sie sich „rein schauspielerisch eine Traumrolle“ ausgesucht: „Gitte hat so viele Anteile, die ich selbst nicht habe oder von denen ich nichts weiß, da ich ihre Lebenssituation zum Glück nie erfahren musste. Diese Distanz spielerisch aufzulösen, ist für mich zugleich Herausforderung und Geschenk.“
ORF/Film AG/Julia DragositsWodka und Zigaretten
Gitte ist hochschwanger, Mutter dreier vernachlässigter Kinder und alkoholkrank. Ihr zuzusehen, wie sie mit hochschwangerem Bauch Zigaretten raucht und Wodka kippt, ist ganz schön schwierig.
Doch zumindest, was den Schwangerschaftsbauch anbelangt, war das Spiel einfach, grinst Stockinger: „Die Schwangerschaft musste ich gar nicht erspielen, weil der Spielbauch auf mich angepasst wurde und sich tatsächlich sehr angenehm angefühlt hat.“ Und was die Alkoholsucht ihrer Figur anbelangt: „Es gibt viele Frauen, die alleine oder mit einer Suchtproblematik in eine Schwangerschaft hineingehen. Doch in der Gesellschaftsschicht, in der wir uns bewegen, nehmen wir das gar nicht wahr. Ich habe Freunde, die in karitativen Einrichtungen arbeiten, die schildern können, was passiert, wenn Armut und Überforderung aufeinandertreffen. Für uns ist es schockierend, weil Gitte raucht und trinkt, aber sie hat keinen anderen Umgang mit Belastung und Stress gelernt als Verdrängung durch Alkohol.“
Deswegen war es ihr beim Spielen ganz besonders wichtig, „diese Frau nicht zu verurteilen“: „Das wäre sonst so, als würde ich eine Person vorführen. Man muss sich einer Rolle mit so viel Empathie als möglich nähern.“
Film AG
Tatsächlich neigt man beim Zusehen dazu, ein Gefühl von moralischer Entrüstung zu verspüren, und tut sich schwer, Gitte nicht zu bewerten. „Mir würde es ähnlich gehen“, ist Marie-Luise Stockinger ehrlich überzeugt: „Ich ertappe mich oft dabei, wie schnell man am Verurteilen ist. Wenn ich mich durch Wien bewege und irgendwelche Szenen beobachte, und so was denke wie: ,Die passt aber nicht gut auf ihre Kinder auf!’, bin ich im nächsten Moment richtig wütend auf mich. Ich habe ja überhaupt keine Ahnung über deren Lebenssituation und Probleme! Wenn also der Film diesen Impuls auslöst, dass man verurteilen möchte, dann aber doch innehält, fände ich das ganz toll. Denn dann schulen wir uns in Empathie.“
Kein Elendstourismus
Und eines wollte sie unter allen Umständen vermeiden: „Dass es so rüberkommt, als würde eine Schauspielerin vom Burgtheater vorführen, wie es einer armutsgefährdeten, suchtkranken Mutter irgendwo …read more
Source:: Kurier.at – Kultur