
Die französische Regisseurin Anne Fontaine im Gespräch über Maurice Ravel und ihren Kostümfilm „Bolero – Entstehung eines Meisterwerks“
„Ich habe nur ein Meisterwerk geschaffen“, so die lapidare Selbsteinschätzung des französischen Komponisten Maurice Ravel: „Und das ist der Bolero; leider ist er leer von Musik.“
Vor ziemlich genau 150 Jahren, am 7. März 1875, wurde Maurice Ravel geboren. Anlässlich dieses Jubiläums machte sich die französische Regisseurin Anne Fontaine Gedanken über die Genese seines weltberühmten, „leeren“ Musikstückes: „Bolero – Die Entstehung eines Meisterwerkes“ (derzeit im Kino) beobachtet einen schwierigen, kreativen Prozess, der schließlich in den hypnotischen 17 Minuten des „Bolero“ kulminiert. Alle fünf Minuten, so wird es zumindest im Abspann des Films behauptet, ist irgendwo auf der Welt die Melodie des „Bolero“ zu hören.
„Jedes Land – von Afrika bis China – hat seine eigenen ,Bolero’, seine eigene Interpretation und seine eigene Choreografie dieses Musikstückes“, sagt Anne Fontaine im KURIER-Gespräch: „Der ,Bolero’ ist einfach universell.“
Tatsächlich ist es die Mechanik des modernen Lebens, die Ravel inspirierte: Die Geräusche der Fabrik und das Stampfen der Maschinen geben dem Komponisten den Takt vor.
Es war die berühmte Tänzerin Ida Rubinstein, die bei Ravel die Musik zu einem Ballettstück in Auftrag gab, das als „Bolero“ legendär werden sollte. Gleich zu Beginn des Films ladet Ravel – asketisch gespielt von einem abgemagerten Raphaël Personnaz – seine Auftraggeberin zu einem Treffen in der Fabrik ein. Verblüfft wandert Rubinstein (exzentrisch: Jeanne Balibar) hinter Ravel durch die pfauchende Fabrikshalle und weiß nicht so recht, was sie mit der Geräuschkulisse anfangen soll.
APA/AFP/VALERIE MACON
Regisseurin Anne Fontaine über Ravels „Bolero“: „Wie eine Obsession“
„Ravels Faszination mit Fabriken ist historisch verbürgt“, bekräftigt Fontaine, die die Erlaubnis erhalten hatte, in Ravels echtem Haus in Monfort-l’Amaury zu drehen: „In der Nähe seines Wohnhauses, das klein wie ein Puppenhaus wirkt und in dem alles noch so aussieht wie damals, stand eine Fabrik. Die hat er oft besucht, und ihre mechanischen Geräusche haben ihn inspiriert. Auch Töne aus dem Alltagsleben wie Regentropfen, das Ticken eines Weckers oder das Zwitschern eines Vogels sind in seine Kompositionen eingeflossen.“
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Jeanne Balibar als Ida Rubinstein: „Bolero – Entstehung eines Meisterwerks“
Als Ida Rubinstein den „Bolero“ das erste Mal hört, ist sie von seiner repetitiven Sinnlichkeit fasziniert. Dementsprechend erotisch fällt die Choreografie aus, die sie sich zu den 17 Minuten Ballettmusik einfallen lässt. Als Ravel jedoch zum ersten Mal die Aufführung auf der Bühne sieht, in der sich eine halb nackte Rubinstein in den Armen jüngerer Männer windet, ist er schockiert.
Asexueller Ravel
„Der Rhythmus des ,Bolero’ spricht den Körper direkt an. Er wirkt wie eine Obsession, die am Ende explodiert. Der ,Bolero’ ist wie Voodoo. Und natürlich lässt er sich sexuell deuten“, findet die Regisseurin: „Aber Ravel empfand die Musik nicht als sexuell. Und als er die erotische Ballettchoreografie zum ersten Mal sah, war er enttäuscht.“
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Raphaël Personnaz als asketischer Maurice Ravel
Über Ravels Intimleben ist wenig bekannt. Manche Biografen spekulieren über seine Homosexualität, Anne Fontaine jedoch erzählt ihn als asexuellen Junggesellen, der eine platonische Beziehung zu einer verheirateten Frau unterhält und regelmäßig ins Bordell geht, dort aber den jungen Mädchen nur am …read more
Source:: Kurier.at – Kultur