
„Eine der Funktionen von Kunstinstitutionen liegt darin, Dinge ein wenig abzubremsen“, sagt der Kurator Nadim Samman. An Orten wie der Kunsthalle Wien soll es möglich sein, Entwicklungen, die uns im Alltag um die Ohren fliegen, etwas genauer zu betrachten, zu diskutieren, und zwar im direkten Kontakt mit anderen: So ist grob die Mission des „Vienna Digital Cultures“-Festivals umrissen, das bis zum 18. Mai zu einer Vielzahl an Vorträgen, Gesprächen, aber auch zu einer Ausstellung und auf Partys lockt.
Dabei schlägt das von dem britischen Kurator ausgegebene Motto eher weniger optimistische Töne an: Der Begriff „Model Collapse“ ist dem Computerjargon entlehnt und bezeichnet Fehlfunktionen, die auftreten, wenn große KI-Sprachmodelle über längere Zeit mit fehlerhaften Daten trainiert werden oder inzestuös selbst KI-generierte Inhalte als Basis ihrer Arbeit verwenden: Sie drehen sich dann im Kreis, wiederholen fehlerhafte Muster oder gar rassistische Stereotypen.
Samman – in der Szene u. a. als einstiger Mitarbeiter der Kunststiftung TBA 21 von Francesca Thyssen-Bornemisza bekannt – holte Expertinnen und Experten nach Wien, die die Entwicklung kritisch und künstlerisch begleiten.
500 Jahre KI-Geschichte
In der Kunsthalle am Karlsplatz installierte die Wissenschafterin Kate Crawford, Autorin des Standardwerks „Atlas der KI“, eine 24 Meter große Schautafel, die aufzeigt, wie die heute so neuartigen KI-Modelle auf Mustern der Kommunikation und Kontrolle aufbauen, deren Ursprünge bis zu 500 Jahre weit zurückreichen.
Iris Ranzinger
Eindrucksvoll wie gruselig sind die verknoteten Silikongebilde mit riesigen Brüsten, die sich davor neben metallenen Skeletten am Boden winden: Die Künstlerin Arvida Byström – übrigens auch noch bis 25. 5. in einer Solo-Schau im OK Center Linz präsent – zerlegte dafür hyperrealistische Sexpuppen. In einer zweiten Arbeit experimentierte sie mit pornografischen „Deep Fakes“, in denen sich aber auch skurrile Fehlbildungen einschlichen. Wie verhält man sich gegenüber solchen Figuren, die nur ein Stück weit von jenen Kreaturen entfernt sind, denen man online mittlerweile ständig begegnen kann?
Festival-Zentralismus
Das Event, das neben der Ausstellung am Karlsplatz auch noch ein „AI -Kino“ , zwei online abrufbare Beiträge sowie Partys und Performances im einstigen ORF-Funkhaus umfasst, ist Teil einer umfassenderen Neuaufstellung der Wiener Kulturfestival-Landschaft: Sponserte die Stadt bis 2023 das Festival „Civa“ als eigenes Medienkunst-Event, läuft die Eventreihe nun unter dem Dach der Kunsthalle Wien und der neuen Institution „Foto Arsenal“, das seine Ausstellungsräume nahe dem Heeresgeschichtlichen Museum vor kurzem eröffnete.
Als städtisches Kompetenzzentrum für Fotografie und Artverwandtes organisiert das Foto Arsenal seinerseits das Festival „Foto Wien“, das alle zwei Jahre – heuer von 4. Oktober bis 2. November – stattfindet. Kunsthalle und Foto Arsenal operieren wiederum unter dem Dach der städtischen „Stadt Wien Kunst GmbH“. Man wolle Synergien nutzen und Kontinuität gewährleisten, heißt es.
Source:: Kurier.at – Kultur