Wiener Konzerthaus: In beißenden Tönen fordern sie den Tod Jesu

Kultur

Von: Susanne Zobl

Nahezu niemanden hielt es auf dem Sessel im fast ausverkauften Saal im Wiener Konzerthaus. Bravos, die kein Ende nehmen wollen. Aber Euphorie nach dem Leiden Christi? Ausgerechnet nach Johann Sebastian Bachs „Johannespassion“, die in ihrer Unerbittlichkeit an sich schon verstört? Auslöser der Euphorie sind Dirigent Raphael Pichon und sein außerordentliches Ensemble Pygmalion.

2006 gründete Pichon diese Formation aus Originalklang-Orchester und Chor, in dem jede einzelne Stimme über solistische Qualitäten verfügt. Der Franzose, dem das Konzerthaus eine eigene Reihe widmet, zählt heute zu den aufregendsten Dirigenten. Er agiert nur aus der Musik und verschafft dieser, streng auf Präzision bedacht, ihre Wirkung mit einfachen Mitteln. Um diesen Bach legt er einen musikalisch-meditativen Rahmen mit Chorälen, die er zu Beginn, vor der Pause und am Ende einspielt.

Zur Einstimmung hebt Lucile Richardot den Choral „O Traurigkeit, O Herzeleid“ am Balkon an, abwechselnd singt sie die Strophen mit dem Chor. Das spannt einen vokalen Bogen über den gesamten Saal. Dann aber Bach – von pulsierend, energetisch bis kontemplativ. Sublime changiert Pichon zwischen schwebenden und überwältigenden Passagen.

Alles ist stets feinst austariert. Faszinierend, wie dieser Dirigent den Klang der historischen Instrumente dramaturgisch nützt. Musiziert wird höchstkonzentriert. Besonders hervorzuheben das Solo der Viola da Gambe, die Flöten. Ereignishaftes lässt der Chor erleben.

Die Stimmen sind genau ausbalanciert. Die Soprane erreichen mühelos die hohen Töne, die Herren klingen sonor. Alle Lagen sind akkurat aufeinander abgestimmt. Das ist Polyfonie in Höchstpräzision. Phänomenal ist die Wandelbarkeit dieses Kollektivs. Als geifernde Menge fordern sie in beißenden Tönen den Tod Jesu. Mit warmen Stimmen beklagen sie mitfühlend seine Kreuzigung. Wortdeutlichkeit ist selbstverständlich.

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Das Solisten-Ensemble ist aus charaktervollen Stimmen formiert. Julian Prégardien ist ein idealtypischer Evangelist. Huw Montague Rendall betont als ausdrucksstarker Christus jedes Wort mit Sinn. Sopranistin Ying Fang betört. Christian Immlerund Laurence Kilsby komplettieren mit ihren Charakterstimmen.

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Source:: Kurier.at – Kultur

      

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