
Andrea Götsch ist eine erstaunliche junge Frau: zielstrebig, diszipliniert, intellektuell.
KURIER: Sie sind rundum gefragte Künstlerin – wie geht sich da auch noch Fußball aus?
Andrea Götsch: Für die Dinge, die man gerne tut, findet man Zeit. Mein Luxusproblem ist, dass ich sehr vieles gerne mache. Der Fußball gibt mir Kraft – auch für meine musikalischen Auftritte. Leider sind Fußballtermine oft abends und am Wochenende – parallel zu unseren Vorstellungen. Daher bin ich glücklich, auch noch den Fußballklub der Wiener Philharmoniker zu haben – eine Mannschaft des Orchesters. Das ist mit unserem Dienstplan abgestimmt, und auf Reisen treten wir auch gegen andere Mannschaften an.
Auf welcher Position spielen Sie?
Mit den Männern – also im Orchester-Team – spiele ich meistens im offensiven Mittelfeld. Mit den Mädels beim Wiener Sportclub bin ich eher in der Defensive als Innenverteidigerin im Einsatz.
Keine Angst vor Verletzungen?
Das Leben ist auch so gefährlich, manche fallen über die Stiege. Aber natürlich passen wir auf.
Wie schwierig war es, im Elite-Orchester der Wiener Philharmoniker aufgenommen zu werden?
Der Aufnahmeprozess ist lange und intensiv. Bei meinem Probespiel wurde nach vier Runden verkündet, wer gewonnen hat, und ich konnte kaum fassen, meinen Namen zu hören. In der nachfolgenden Probezeit von ein bis zwei Jahren muss man beweisen, in dieses Orchester zu passen. Erst nach drei Jahren kann man einen Antrag stellen, vollwertiges Mitglied der Wiener Philharmoniker zu sein, und da kann das ganze Orchester abstimmen. 2022 bin ich dann Wiener Philharmonikerin geworden. Ein Jahr später bin ich – übrigens derzeit als einzige Frau – ins Komitee gewählt worden in der Funktion der Ordnungswahrerin.
Kurier/Juerg Christandl
Was macht die Ordnungswahrerin?
Ich kontrolliere Anwesenheiten und Dienstpläne, achte darauf, dass Kleiderordnungen und verschiedene vereinsinterne Regeln eingehalten werden. Bei Abendkonzerten spielen wir im Frack und bei Abo-Konzerten untertags im Stresemann. Frauen haben eine adäquate Kleidung zu tragen: schwarze Hose, schwarzer Blazer. Und beim Stresemann eine graue Hose.
Und wie reagiert ein Fünfzigjähriger, wenn ihn eine so junge Frau wie Sie darauf hinweist, dass das Gewand nicht passt?
In der Regel ziehen wir ohnehin alle an einem Strang. Die Kleiderordnung ist ja nicht meine Entscheidung, sondern ein Vereinsbeschluss. Ich argumentiere dann, dass wir 150 uns in dieser Arbeitsgemeinschaft daran halten und es deshalb schön wäre, wenn da auch jeder Einzelne dabei ist.
Sie sind noch in eine weitere Männerdomäne eingedrungen: als Dirigentin.
Ich hatte nie Probleme, in Männerdomänen einzudringen. Schon als Kind war ich das einzige Mädel in einer Bubenmannschaft. Dafür war ich später im Gymnasium dann in einer reinen Mädchenklasse und spiele jetzt in Ensembles mit lauter Frauen. Ich arbeite gerne mit Männern und Frauen zusammen. Das Dirigieren ist ein neuer Schritt für mich. Darüber freue ich mich.
Ist dieses Fach nicht schwieriger für eine junge Frau, als für einen alten, etablierten Dirigenten? Schließlich müssen alle Musiker zu einem aufschauen.
Ich versuche, mit meinem Können und meiner Erfahrung den Respekt automatisch zu erhalten. Außerdem trete ich selbst dem Orchester mit Respekt und viel Vertrauen entgegen. Es fühlt sich für mich immer wie Teamwork an, um gemeinsam einen besonderen Moment zu schaffen.
Ist es nicht egal, wer die Wiener Philharmoniker dirigiert, …read more
Source:: Kurier.at – Kultur