Wiener Stiftungsrat Kettner: „Selbstverzwergung“ von Republik und ORF

Kultur

Plädiert für Haushaltsabgabe und Orchester, warnt vor Aktivismus und „Verseppelung“ im ORF, findet „Seelenblähungen“ der ORF-Twitteria schwierig

Der ORF hängt in der Warteschleife der österreichischen (Medien-)Politik. Ab Montag informiert Generaldirektor Roland Weißmann den Stiftungsrat über den Stand der Gespräche mit der Politik. Das könnte kurz werden: Die künftige Finanzierung über Haushaltsabgabe ist weiterhin nicht fixiert, weitere Details dazu sind auch nicht bekannt. Von Eckpunkten der Digitalnovelle, die dem ORF online sowie auf Social Media mehr ermöglichen soll, weiß man ebenso nichts. Die Zeit drängt, aber die Koalition muss sich erst intern einigen.

Gefüllt wird das Vakuum mit Debatten und Petitionen zu Radio Symphonie Orchester Wien (RSO) und Sport+, die der ORF nicht mehr wie bisher finanzieren kann – denn ein „ORF-Rabatt“ fürs zahlende Publikum wird von Medienministerin Susanne Raab (ÖVP) eingefordert und die steigenden Kosten – 300 Mio. bis 2026 – muss das Unternehmen auch aus sich heraus irgendwie finanzieren.

Diese Situation beschert Norbert Kettner, Chef des Wien Tourismus und ORF-Stiftungsrat der Bundeshauptstadt, „ein doppeltes Déjà-vu“: 2014 habe der ORF, auf eine weitere Gebührenrefundierung hoffend, im „Eichkatzl-Modus“ alle Spar-Vorgaben abgearbeitet. „Die Politik sagte dann trotzdem nein und ich habe die Befürchtung, dass es bei der Digitalisierungsnovelle wieder genauso passiert.“

Bizarre Argumente

Das zweite Déjà-vu betrifft das RSO, das nicht zum ersten Mal zur Disposition steht. „Dass die Kultur-Sprecherinnen der Regierungsparteien nun komplett überrascht sind, ist unglaubwürdig. ÖVP-nahe Stiftungsräte wollen das RSO seit Jahren nicht.“ Sein Eindruck sei, „man hat jetzt diesen Stein in den ORF-Teich geworfen und wenn die Welle danach zu hoch wird – hat man von nichts gewusst“, sagt Kettner.

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„Bizarr“ finde er das in die Diskussion ums RSO auch eingebrachte Argument, dass das die weitere ORF-Digitalisierung finanziert – „mit 10 Millionen? Das zeigt, wo die Politik in Österreich und Europas insgesamt bei diesem Thema steht  – irgendwo auf einem anderen Planeten.“ Gleichzeitig werde man in Sachen Digitalisierung zwischen den Blöcken USA und China zerrieben. „Man ist drauf und dran, die größte historische medienpolitische Innovation aus Europa in die Luft zu sprengen“ und das ist für Kettner der öffentlich-rechtliche Rundfunk.

Image-Faktor

Auch als Tourismus-Werber ist er alarmiert: „Es gibt einen positiven Image-Faktor, den dieses Land global hat und das ist die Kultur.“ Es stünde also dem Öffentlich-Rechtlichen gut an, ein weltweit anerkanntes Orchester wie das RSO zu betreiben. In der hiesigen Diskussion gilt allerdings eher das Skifahren als Identifikationsfaktor – „so wichtig es auch ist, in 80 Prozent der Länder ist es ein Wassersport.“ Kettners Befund: „Ich sehe einen Parallelschwung zwischen der Republik und dem ORF: Selbstverzwergung auf internationaler Ebene nun schon seit Jahren gepaart mit Orientierungslosigkeit.“

Aber auch beim ORF selbst sieht Kettner Handlungsbedarf. Eine Gefahr sieht er etwa darin, dass im ORF und in der Folge in seiner Information der Aktivismus überhandnimmt. Das schwappe aus Deutschland herein. „Ich war zum Beispiel immer ein Kritiker der Aktion ,Mutter Erde‘ des ORF. Ich meine, NGOs sind Spieler auf dem Spielfeld der Information und nicht die Schiedsrichter.“

Polit-medialer Komplex nervt

Er empfindet auch die Twitter-Praxis mancher im ORF als schwierig. „Ich muss nicht von jedem ORF-Redakteur minutenaktuell …read more

Source:: Kurier.at – Kultur

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