1 Jahr Labour: Wie aus Freudentaumel Frust und Tränen wurden

Politik
Parliamentary election in Britain

Eine erfolgreiche Jubiläumswoche sieht anders aus: Gleich zu Wochenbeginn sah sich der britische Premierminister Keir Starmer gezwungen, geplante Kürzungen von Sozialleistungen weiter abzuschwächen – weil 120 Labour-Abgeordnete mit einer Rebellion drohten.

Am Mittwoch saß eine sichtlich aufgelöste Schatzkanzlerin neben Keir Starmer im Unterhaus – und auch wenn Rachel Reeves betonte, dass die Tränen einer Privatangelegenheit geschuldet waren: Die neuerliche Kehrtwende des Premierministers hat den Druck auf ihren Schultern weiter erhöht; sie muss die 6 Millionen Euro, die durch die Kürzungen eingespart werden sollten, nun anderswo finden.

Und am Freitag machte schließlich die Nachricht die Runde, dass die suspendierte Labour-Abgeordnete Zarah Sultana die Partei verlassen werde, um mit dem früheren Labour-Chef Jeremy Corbyn ihre eigene, linksgewandte Partei zu gründen. (Corbyn hat dies bisher nicht bestätigt.)

Von Reform überholt

Noch dramatischer als die Frustration in der eigenen Partei sind nur die aktuellen Meinungsumfragen. Denn die Labourpartei, die vor einem Jahr mit einem Erdrutschsieg zur Regierungspartei gewählt wurde, hat die Unterstützung der Mehrheit verloren. Würde heute gewählt, könnte stattdessen Nigel Farages rechte Reformpartei mit 271 die meisten Stimmen holen.

Wie konnten aus dem Freudentaumel, mit dem Keir Starmer am 5. Juli 2025 in der Downing Street willkommen geheißen wurde, innerhalb eines Jahres Tränen, Trotz und Trennungsgelüste werden?

REUTERS/Toby Melville

Unter frenetischem Jubel zog Starmer 2024 in die Downing Street ein.

Natürlich sind es schwierige Zeiten, räumt der Politikprofessor Tim Bale von der Queen Mary Universität beim Pressegespräch in der Royal Overseas League ein. Die Welt ist eine unsichere geworden und Labour hatte von den Konservativen einen Scherbenhaufen geerbt: ein zusammengebrochenes Gesundheitssystem, bankrotte Gemeinden und überfüllte Gefängnisse.

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Theoretisch gäbe es auch Erfolge zu feiern: Labour hat nicht nur die versprochenen zwei, sondern sogar vier Millionen extra Arzttermine geschaffen, ein kostenloses Mittagessen für 500.000 Schulkinder eingeführt und ist einzige Regierung, die einen Handelsdeal mit Trump zu den Autoexporten sichern konnte.

Katalog an Verfehlungen

Doch bei der Bevölkerung blieb anderes hängen: Ein drastischer Anstieg der Ärmelkanalüberquerungen – trotz Starmers Versprechen, die Boote zu stoppen. Die Kürzung des Heizkostenzuschusses für die Pensionisten – als gleichzeitig aufflog, dass die Minister gerne Geschenke annehmen. Oder die Erhöhung der Sozialversicherungsleistungen für Arbeitgeber – die am Ende doch viele Arbeitnehmer zu spüren bekamen.

APA/AFP/HENRY NICHOLLS

Der Kritik an Starmers Maßnahmen häuft sich.

Das zugrunde liegende Problem, darin sind sich Professor Tim Bale und Politikwissenschafter Karl Pike, ebenfalls von der Queen Mary Universität, einig, liegt an der Parteiführung. „Keir Starmers Beliebtheitswerte waren von vornherein nicht gut“, sagt Tim Bale, „aber mittlerweile sind sie miserabel.“ Laut einer aktuellen YouGov-Umfrage ist Keir Starmer mit 69 Prozent bei den Briten noch um ganze 10 Prozentpunkte unbeliebter als der umstrittene Nigel Farage.

„Die Briten“, sagt Karl Pike, „wollen jemanden mit starker Führung, einem starken Narrativ.“ Doch Keir Starmer sei ein „verwirrender“ Landeschef. „Viele, mich eingeschlossen, waren überrascht, dass er als Premier noch schwieriger zu lesen ist als als Oppositionschef. Schon damals war es schwierig zu sagen, wofür er eigentlich steht.“

via REUTERS/Carl Court

Selbst Politexperten ist oft nicht klar, wofür Keir Starmer wirklich steht.

Zu wenig, zu oft

Zu oft hat er im vergangenen Jahr Maßnahmen unter Protest der Parteibasis verkündet, um sie nach monatelangem …read more

Source:: Kurier.at – Politik

      

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