Die ÖVP wird bei der Nationalratswahl massive Verluste einfahren, aber wohl dennoch weiterregieren. Die Frage ist nur, mit wem und in welcher Position.
Die Volkspartei begeht ihren Wahlabend in ihrer Parteizentrale in der Wiener Lichtenfelsgasse. Wird es ein überraschender Wahlsieg oder gar nur Platz drei? All das liegt laut Umfragen im Bereich des Möglichen für Bundeskanzler Karl Nehammer.
Selbst das bis dato schlechteste Ergebnis bei einer Nationalratswahl seit 1945 könnte unterboten werden: 2013 erreichte die ÖVP lediglich 24 Prozent.
Weitere Regierungsbeteiligung beinahe sicher
Was bereits fest stehen dürfte: Die ÖVP wird wieder in der nächsten Regierung sitzen. Eine Mehrheit ohne FPÖ oder ÖVP gilt als ausgeschlossen. Und da alle anderen Parteien die Freiheitlichen als Partner ausschließen, führt wohl kein mathematischer Weg an einer türkisen Regierungsbeteiligung vorbei.
Nehammer hat im Wahlkampf „nur“ eine Zusammenarbeit mit FPÖ-Chef Herbert Kickl ausgeschlossen, nicht generell mit der FPÖ. Vergleicht man die Wahlprogramme, dürfte der ÖVP ein Regierungsabkommen mit den Freiheitlichen auch einfacher fallen als mit SPÖ-Chef Andreas Bablers. Vor allem die türkis-blauen wirtschaftspolitischen Programme sind beinahe deckungsgleich.
Massive Verluste sind eingepreist
Was jedenfalls feststeht: Die Türkisen werden massive Verluste einfahren. Vor genau fünf Jahren, am 29. September 2019, gelang ihnen mit 37,46 Prozent ein fulminanter Sieg. Doch seitdem gab es massive Umwälzungen in der Partei.
Bundeskanzler Sebastian Kurz trat am 9. Oktober 2021 wegen Korruptionsermittlungen in der „ÖVP-Umfragenaffäre“ zurück. Sein Nachfolger, Außenminister Alexander Schallenberg, hielt sich nicht lange im Amt, weshalb am 6. Dezember 2021 Nehammer übernahm.
Der 51-Jährige findet sich mittlerweile in seiner Rolle zurecht, legt diese zumeist ruhig und staatsmännisch aus – ein Kontrastprogramm zu früheren, bissigen Auftritten als ÖVP-Generalsekretär oder Innenminister.
Ein Wahlkampf ohne Fehler
Während der TV-Duelle im Wahlkampf wirkte Nehammer teilweise sogar stoisch. Wie auch die anderen Spitzenkandidaten, hat er seine Wahlkampfauftritte aber ohne gröbere Aussetzer abgespult.
Politische Beobachter schließen zudem nicht aus, dass das Hochwasser und Nehammers solide Performance als „Krisenmanager“ die Wahl im Sinne der ÖVP beeinflussen könnten. Das bekannte Argumente: In Krisenzeiten schart sich die Bevölkerung eher hinter den Anführern.
Im Zuge der Hochwasser-Katstrophe, die ihr Epizentrum im ÖVP-Machtzentrum Niederösterreich hatte, verzichtete der Bundeskanzler auf Selbstinszenierungen. Stattdessen stockte die türkis-grüne Bundesregierung den Katastrophenfonds auf eine Milliarde Euro auf. Ob das reicht oder die Wut der Betroffenen auf die Politik überwiegt, wird sich zeigen.
Wahlprogramm de facto seit Jänner bekannt
Und inhaltlich? Die Eckpfeiler hat Nehammer am 26. Jänner mit seiner „Österreichplan“-Rede eingeschlagen. Die ÖVP will Steuern und Abgaben, insbesondere die Lohnnebenkosten, senken. Gleichzeitig soll Vollzeitarbeit künftig besser bezahlt werden.
Einsparungen verspricht man sich von einer Reform der Arbeitslosenversicherung und Maßnahmen bei der Sozialhilfe, auf die Asylberechtigte im ÖVP-Modell erst nach fünf Jahren vollen Anspruch haben sollen.
Source:: Kurier.at – Politik