Nach der Wahl ist vor einer Regierungsbildung. Ungeachtet dessen, was der Bundespräsident macht, der eine Regierung ja angeloben muss, sind diese Konstellationen zumindest rechnerisch möglich. Was spricht dafür, was dagegen?
Im Nationalrat sitzen 183 Abgeordnete, für eine einfache Mehrheit sind also zumindest 92 Abgeordnete notwendig. Dazu kommt allerdings, dass zahlreiche Materien nicht nur eine einfache, sondern laut Verfassung eine Zweidrittelmehrheit benötigen, das sind zumindest 122 Mandate. Die Verfassungsmehrheit ist nötig unter anderem für Gesetze, die die Länder betreffen, die die EU betreffen und die die Verfassung betreffen.
Sechs theoretische Varianten
Theoretisch sind in der neuen Legislaturperiode sechs Koalitionsvarianten möglich:
1: FPÖ-ÖVP mit 110 Mandaten
Was dafür spricht: Inhaltlich die größte Übereinstimmung bei zentralen Themen wie Wirtschaft, Migration, Ablehnung von neuen Steuern, auch gesellschaftspolitisch überwiegen die Gemeinsamkeiten,
Was dagegen spricht: Konträre Ansichten bei EU-Fragen oder beim russischen Angriffskrieg auf die Ukraine, und ein fundamentales Problem ist die klare Positionierung der ÖVP-Spitze gegen FPÖ-Chef Kickl. Für die FPÖ gibt es aber keinen Grund, auf Kickl als Kanzler zu verzichten oder sonst wie Kickl auf ein Abstellgleis zu geben.
KURIER/Breineder2: FPÖ-SPÖ mit 99 Mandaten
Was dafür spricht: Historisch war die SPÖ die ersten Partei in der Zweiten Republik, die die FPÖ in eine Regierung holte. Unter Sinowatz von 1983 bis 1987 mit FPÖ-Obmann Norbert Steger, mit dem Bruch als Haider von Steger übernahm und SPÖ-Chef Franz Vranitzky Rot-Blau beendete. Zuvor gab es SPÖ-Minderheitsregierung 1970 unter Duldung von FPÖ-Chef (und SS-Obersturmführer) Friedrich Peter.
Was dagegen spricht: 2004 beschließt die SPÖ auf ihrem Parteitag, mit einer „rechtspopulistischen FPÖ“ keine Koalition einzugehen, der Beschluss gilt bis heute. Der entsprechende Antrag der Sozialistischen Jugend wurde damals mit großer Mehrheit angenommen. Der Beschluss gilt nur auf Bundesebene, die Ländervertretungen müssten jeweils autonom entscheiden, auf Länderebene gab es SPÖ-FPÖ-Koalitionen etwa im Burgenland (2015) und Kärnten (2004).
KURIER/Breineder3: ÖVP-SPÖ mit 93 Mandaten
Was dafür spricht: Trotz sehr knapper Mehrheit wäre Einigung auf Regierungsprogramm einfacher, weil sich nur zwei Parteien einig werden müssen. Die früher „Große Koalition“ genannte Variante war in der Geschichte der Zweiten Republik die häufigste Koalition.
Was dagegen spricht: ÖVP-Chef Nehammer und SPÖ-Chef Babler zeigten im Wahlkampf sehr große Differenzen und Antipathie, auch die gemeinsame politische Schnittmenge ist gering. Zudem macht eine hauchdünne Mehrheit im Parlament ein stabiles Regieren sehr schwierig, jeder Abgeordnete könnte Forderungen aufstellen oder mit Koalitionsbuch drohen.
KURIER/Breineder4: ÖVP-SPÖ-Neos: 110 Mandate
Was dafür spricht: Derzeit die wahrscheinlichste Variante, die eine stabile Mehrheit hätte, wenn auch keine Verfassungsmehrheit. Politische Schnittmenge ist noch nicht zu erkennen, soll aber nicht unmöglich sein, zu finden.
Was dagegen spricht: Eine Einigung von Türkis und Rot scheint schon schwierig, wenn die Neos dazu kommen sollen, wird das entsprechend schwieriger. Die Neos haben schon klar gesagt, dass sie zu solch einer Koalition bereit wären, aber eben „nicht zu jedem Preis“.
KURIER/Breineder5: ÖVP-SPÖ-Grüne mit 108 Mandaten
Was dafür spricht: Eine Variante mit einer stabilen Mehrheit. Analog zu VP-SP-Neos dürfte es aber schwierig werden, eine thematische Schnittmenge zu finden, insbesondere für die ÖVP, da diese Variante deutlich „linker“ wäre.
Was dagegen spricht: Die Grünen würden wohl kaum auf Klimaministerin Leonore …read more
Source:: Kurier.at – Politik