
Vertreter der österreichischen Behindertenorganisationen haben am Montag mit einem gemeinsamen, insgesamt für zehn Stunden geplanten Lesemarathon vor dem Parlament auf die Rechte von Menschen mit Behinderungen aufmerksam gemacht. Die Politik müsse die Verpflichtungen aus der UN-Behindertenrechtskonvention endlich ernst nehmen, sahen die Veranstalter noch deutliche Lücken. „Wir sind hier, um unsere Menschenrechte einzufordern“, betonte Behindertenratspräsident Klaus Widl.
Mit der über den ganzen Tag laufenden Lesung der UN-Behindertenrechtskonvention, der in der Früh auch Sozialministerin Korinna Schumann (SPÖ) einen Besuch abstattete, sollte am Europäischen Protesttag zur Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen auf klaffende Inklusionslücken aufmerksam gemacht werden. Jeder Artikel der Konvention stehe für ein Recht, „das Menschen mit Behinderungen zusteht – und das in Österreich noch zu oft ignoriert wird“, hieß es in einem Pressestatement der Organisatoren.
Symbolische „Baustelle für Inklusion“ errichtet
Für die von 9 Uhr früh bis 19 Uhr abends angesetzte Aktion wurde vor dem Parlamentsgebäude eine symbolische „Baustelle für Inklusion“ errichtet – mit gelben Bauhelmen, Schaufeln und Absperrbändern. Der Weg zur gleichberechtigten Teilhabe in Österreich sei „noch lange nicht fertig gebaut“, hieß es. Seit der Ratifizierung der UN-Behindertenrechtskonvention im Jahr 2008 seien „fast 17 Jahre ins Land gezogen“ und zur Umsetzung der Konvention sei es „noch ein sehr weiter Weg“. Österreich sei noch „meilenweit entfernt“ von einer Fertigstellung der „unfertigen Baustelle“ Inklusion, so die Veranstalter. Die Umsetzung der 50 Artikel der UN-Behindertenrechtskonvention bleibe auch 17 Jahre nach Ratifizierung „nur Stückwerk“.
Dass es zahlreiche Defizite gebe, sei auch bei der letzten Staatenprüfung im Sommer 2023 durch den zuständigen UN-Fachausschuss festgestellt worden. Darauf wies in seiner Rede auch Behindertenratspräsident Widl hin. Er verwies auch auf die zeitgleich stattfindende Gedenkausstellung „80 Jahre Befreiung vom Nationalsozialismus“ und erinnerte daran, dass auch Behinderte unter dem Nazi-Regime systematisch ermordet wurden.
Appell an die neue Bundesregierung
„Wer gedenkt, darf aber auch nicht schweigen, wenn Menschenrechte nicht umgesetzt und nicht eingehalten werden“, sah er die heutige Politik gefordert. „Wir hoffen, dass die neue Bundesregierung endlich eine Umsetzung der Behindertenrechtskonvention startet“, sagte er.
Punktuell habe es in den vergangenen Jahren sogar Rückschritte gegeben, betonten die Organisationen, etwa bei Standards für den barrierefreien Wohnbau. Ähnlich sehe es in Bereichen wie inklusiver Bildung, Arbeitsmarkt-Zugang oder politischer Partizipation aus. Auch verwies man auf die gesplitteten Zuständigkeiten zwischen Gemeinde, Bundesländer und Bund. Entscheidungen über dringende Maßnahmen würden hinausgezögert bzw. „hin und her geschoben“.
Zahlreiche Organisationen vor dem Parlament
An der öffentlichen Aktion waren neben dem Behindertenrat auch die Lebenshilfe Österreich, der ÖZIV Bundesverband für Menschen mit Behinderungen und die Hilfsorganisationen Diakonie und Caritas vertreten. Zu den weiteren Organisatoren zählen der Dachverband berufliche Inklusion Austria sowie die Vereine Jugend am Werk, der Behindertenverband KOBV, der Literaturverein Ohrenschmaus für Menschen mit Lernbehinderung, der Verein BIZEPS – Zentrum für Selbstbestimmtes Leben und die Interessensvertretung Selbstbestimmt Leben Österreich (SLIÖ).
Beteiligt an der Aktion waren auch weitere Mitglieder des Österreichischen Behindertenrats wie etwa Pro Mente, die WAG Assistenzgenossenschaft, der Gehörlosenbund sowie der Blinden- und Sehbehindertenverband, die Hilfsgemeinschaft der Blinden und Sehschwachen Österreichs, der Schwerhörigenbund, die MS-Gesellschaft, sowie die FmB – Interessensvertretung Frauen mit Behinderungen und die ME/CFS-Gesellschaft.
Source:: Kurier.at – Politik