Chef der EU-Handelskammer in Peking: „China wird sich durchwurschteln“

Politik

Die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt schwächelt, aber eine große Krise erwartet der Chef der EU-Handelskammer in Peking nicht – ebenso wenig wie einen Kurswechsel Chinas

Eine Hiobsbotschaft nach der anderen: Immobilienkrise, Schuldenberge, sinkende Exporte und Industrieproduktion: Chinas Wirtschaft schwächelt – bestätigt auch Jens Eskelund, Präsident der Europäischen Handelskammer in China. Ob die zweitgrößte Volkswirtschaft damit auch Europa nach unten zieht, beantwortet der Däne, der seit 25 Jahren in der Volksrepublik lebt.

KURIER: US-Präsident Joe Biden hat die Probleme der chinesischen Wirtschaft als „tickende Zeitbombe“ bezeichnet. Sind derartige Meldungen übertrieben?

Jens Eskelund: Wir werden keine Wachstumsraten mehr wie früher sehen. Investitionen in den Immobiliensektor, aber auch in die Infrastruktur wie bisher wird es in diesem Ausmaß nicht mehr geben. Die Exporte sinken, und zusammen mit den hohen Schulden der lokalen Regierungen, die wiederum die meisten Investitionen getätigt haben, ergibt das in Summe weniger Wachstum.

Also eine massive Krise?

China wird sich durchwurschteln – aber eben auf viel niedrigerem Level als bisher. Das bisher übliche Wachstumsmodell, das auf Investments in Infrastruktur und Immobilien beruhte, hat sich erschöpft. In China wurde bereits zu viel gebaut.

➤ Mehr dazu: Warum China und die USA trotz der Rivalität aufeinander angewiesen sind

Jetzt braucht es einen Übergang zu einem Wirtschaftsmodell, das vom Binnenkonsum angetrieben wird.

Gibt es vonseiten Pekings dafür Anreize?

Abgesehen von kleineren Zinssenkungen gab es noch keinen signifikanten Wechsel der Regierungslinie, der die Menschen dazu gebracht hätte, ihre Konsumausgaben zu erhöhen.

APA/AFP/PEDRO PARDO

Präsident der Europäischen Handelskammer in China, Jens Eskelund

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Was man nicht vergessen darf: Wir sind hier erst heuer aus den Covid-Lockdowns rausgekommen, es gibt noch jede Menge Unsicherheit. Die Jugendarbeitslosigkeit ist hoch. Und 70 Prozent der Ersparnisse chinesischer Haushalte fließen in Immobilien.

Wenn man nicht weiß, welche Richtung der Sektor einschlägt, hält man natürlich seine Ersparnisse zurück. Jetzt fragen wir uns alle: Kommt etwas Großes – eine Art Bazooka-Politik –, oder will die Regierung nur durchdrücken, was derzeit vor sich geht – und einfach eine niedrigere Wachstumsrate für eine gewisse Zeit akzeptieren?

Hat die verschlechterte Lage in China Folgen für Europa?

Natürlich hat es Folgen, wenn eine Wirtschaft, die früher um 6 oder 7 Prozent pro Jahr gewachsen ist, jetzt nur noch 3 oder 4 Prozent wächst. Bestimmte Sektoren in Europa wird das härter treffen. Die Importe aus China sind gesunken, und die Exporte in die Volksrepublik gehen ebenfalls zurück.Eine niedrige Nachfrage hat immer Auswirkungen auf die Industrieproduktion.

Aber man darf die Größe der Märkte nicht außer Acht lassen: Der europäische Markt hat im Vorjahr in Wert gemessen drei Mal mehr Güter von China gekauft als umgekehrt.

Kommt es deswegen zu einem Rückzug europäischer Firmen aus China?

Nein, wir sehen keinen Exodus europäischer Firmen. Aber was man schon sieht: Nur wenige europäische Firmen haben Interesse, jetzt nach China zu kommen. Es gibt viel weniger Investitionen. Vor allem kleine Firmen überlegen angesichts der geopolitischen Spannungen und wegen der Schwierigkeiten auf dem chinesischen Markt.

Die EU empfiehlt ja, sich nicht aus China zurückzuziehen, aber das Risiko zu verkleinern. Schlägt diese Idee in China schon durch?

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Source:: Kurier.at – Politik

      

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