„Das kollektive Raunzen bringt uns ja nicht weiter“

Politik

Im Lehrgang „Love Politics“ sollen Quereinsteiger Fähigkeiten lernen, um in der Politik bestehen zu können. Was treibt diese jungen Menschen an?

Auf der Liste aller Dinge, die sich Yvonne Heubers Vater für seine Tochter gewünscht hat, war eines nicht zu finden: die Politik. „Mein Vater hat immer versucht, mich davon fernzuhalten“, sagt die Niederösterreicherin, und das ist doch auffallend, denn: Der Vater war selbst Bürgermeister. „Du hast wenig Zeit für die Familie, gerade am Wochenende. Im Gegenzug musst du Anfeindungen und Kritik für Dinge aushalten, für die du mitunter gar nicht verantwortlich bist“, beschreibt die Niederösterreicherin mögliche Motive ihres Vaters.

Nach Jahren in der Privatwirtschaft heuerte die heute 38-Jährige als Öffentlichkeitsarbeiterin bei einer Gewerkschaft an. Und irgendwie war er plötzlich ganz stark, der Wunsch etwas tun. „Das kollektive Raunzen bringt uns ja nicht weiter“, sagt sie. Und allein der Umstand, dass sich jemand dazu entschließt, politisch aktiv zu werden, ist in Zeiten wie diesen alles andere als selbstverständlich.

Negativer Vertrauenssaldo

Warum? Nun, das Image der institutionalisierten Politik ist desaströs, wie der OGM-APA-Vertrauensindex vom Juni zeigt: De facto alle Bundespolitiker leiden unter einem deutlich negativen Vertrauenssaldo.

„Das Ansehen der Politik ist einfach schlecht, insbesondere auf kommunaler Ebene haben wir ein Nachwuchsproblem“, sagt Sonja Jöchtl.

Gemeinsam mit Experten aus Deutschland und Österreich hat die frühere Geschäftsführerin der Europäischen Forum Alpbach Stiftung den Lehrgang „Love Politics“ entwickelt. Es ist eine Art Crashkurs für Quereinsteiger und politische Talente. Resilienz gegen Druck ist ein Thema; Kommunikation und In-der-Öffentlichkeit-Stehen ein anderes.

  Grüne Frauensprecherin will Abtreibung auf Kasse in öffentlichen Spitälern

Grafik

Die Frage „Wer tut sich Politik noch an?“ scheint sich bei „Love Politics“ nicht zu stellen, im Gegenteil: Für die 35 Ausbildungsplätze gab es mehr als 1.200 Bewerber aus Österreich, der Schweiz und Deutschland. „Unsere Kandidaten verbindet, dass sie nichts werden, sondern etwas tun wollen“, sagt Jöchtl. Eben Menschen wie Yvonne Heuber. Oder Alexander Auer. Oder Lorenzo Ramani.

Gemeinsam mit Initiatorin Jöchtl sitzen die drei in einem Wiener Gastgarten und erzählen, warum sie sich engagieren und Politik machen wollen.

„Zusammenhalt stärken“

Heuber interessiert die Kommunalpolitik. Sie will mithelfen, „dass der Zusammenhalt stärker wird“.

Der 29-jährige Start-up-Unternehmer Alex Auer überlegt noch, welche Idee er umsetzen will. „Das kann eine Kandidatur auf kommunaler Ebene sein, oder es wird ein wirtschaftspolitisches Projekt.“ Wichtig ist ihm, dass Politik keine Erzählungen verbreitet, die sie nicht halten kann. „Wenn ich behaupte, dass in Österreich Leistung etwas wert ist, und es aber gleichzeitig für ein junges Akademiker-Paar mit gutem Job in einer Stadt wie Innsbruck unmöglich ist, sich etwas aufzubauen, dann verliere ich die Menschen – vor allem die jungen.“

Ist die Jugend grundsätzlich politisch desinteressiert?

Lorenzo Ramani unterrichtet selbst Mittelschüler und widerspricht der These.

„Kein echter Österreicher“

Ramanis Mutter musste nach Österreich flüchten. Der in Tirol geborene 25-Jährige sieht viele Gründe, warum sich junge Menschen, insbesondere mit Migrationshintergrund, nicht von der Politik vertreten fühlen. „Ich wuchs am Rande des Alpbachtals auf und hab mit meiner Schuhplattlergruppe stolz für den Bundespräsidenten geschuhplattelt. Trotzdem hat man mir gesagt ‚Du bist kein echter Österreicher‘. Das macht etwas mit einem Kind.“

  Steigende Migrantenzahlen: Hat Moskau damit zu tun?

Ramani will sich für politische Bildung in den Schulen und Fragen der Chancengleichheit engagieren. Und er weiß, was er nicht …read more

Source:: Kurier.at – Politik

      

(Visited 1 times, 1 visits today)

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.