Der iranische Vergeltungsschlag gegen Israel lässt auf sich warten. Gleichzeitig kündigte der neue Präsident Beschränkungen der Sittenpolizei an, auch den Atomdeal will man in kleinerer Form neu verhandeln. Das alles könnte Teil einer klaren Mission sein, sagt Experte Ali Fathollah-Nejad.
Obwohl die Hisbollah im Libanon nach den Angriffen Israels der vergangenen Wochen geschwächt ist, hat ihr Unterstützer Iran bisher nicht direkt eingegriffen – auch, wenn das Land die Terrormiliz natürlich nach wie vor mit Waffen und Geld beliefert. Zum von Religionsführer Ali Khamenei mit den Worten „Rache ist Pflicht des Iran“ angekündigten Vergeltungsschlag für den Tod von Hamas-Chef Ismail Haniyeh ist es ebenfalls (noch?) nicht gekommen.
Stattdessen machte Teheran zuletzt mit Wortmeldungen Schlagzeilen, die im Westen erstmal positiv überraschen: Der neue Präsident Massud Peseschkian kündigte an, die Sittenpolizei zu beschränken und ihr zu verbieten, Frauen zu „belästigen“. Die Internetsperren sollen demnach ebenfalls gelockert werden. Außenminister Abbas Araghchi ließ zudem mit der Meldung aufhorchen, man sei offen für die Wiederaufnahme von Atomverhandlungen mit dem Westen. Und einen jungen Österreicher, der erst wegen angeblicher Spionagevorwürfe, dann wegen des Vorwurfs mitgeführter Waffen im Iran in Haft saß, ließen die Behörden kürzlich nach zwei Jahren frei.
Bei der UNO-Generalversammlung in New York diese Woche sprach Peseschkian gar von einer „neuen Ära der Zusammenarbeit“ mit dem Westen. Warum macht er das? Und kann man ihm glauben, wenn doch eigentlich der „Oberste Führer“ das Sagen hat und der seit 35 Jahren der gleiche ist? Der KURIER hat bei Iran-Experte Ali Fathollah-Nejad nachgefragt.
„Keine Hinweise auf tatsächliche Verbesserung“
Laut ihm muss man bei all diesen Meldungen vorsichtig sein, gerade was die innenpolitischen Versprechen angeht: „Die Polizei hat schon angekündigt, die gewaltvollen Hidschab-Kontrollen weiterführen zu wollen. Und auch bezüglich Internetfreiheit gibt es keine Hinweise darauf, dass es tatsächlich zu Verbesserungen kommen wird.“
Lapidare Aussagen Peseschkians würden im Westen zwar so interpretiert, als würde er wirklich durchgreifen wollen, so Fathollah-Nejad: „Wenn er die Internetsperren lockern oder die Sittenpolizei beschränken wollte, könnte er das unter Umständen gar nicht, weil es übergeordnete Mächte gibt. Über diese Themen, die mit der Identität des Regimes zu tun haben, entscheidet nicht der Präsident.“ Die Frage sei aber auch, ob er das wirklich wolle.
Schlechte Wirtschaftslage
Die Meldungen, und auch die Freilassung des inhaftierten Österreichers, dürften demnach Teil einer klaren Mission Peseschkians sein, die auch Ali Khamenei und die Revolutionsgarden unterstützen: „Man will eine Verständigung mit dem Westen suchen, um Sanktionslockerungen zu erreichen.“ Die halte Teheran aufgrund leerer Staatskassen für absolut notwendig, um das Regime zu stabilisieren.
Die USA haben gegenüber dem Iran zudem bereits klargemacht: Kommt es zu einem Vergeltungsschlag gegen Israel, rückt eine Verständigung mit Teheran in weite Ferne.
In Bezug auf die kommunizierte Bereitschaft, eine Art kleineren Atom-Deal neu zu verhandeln, weist Fathollah-Nejad auf mindestens zwei geheime Treffen zwischen iranischen und US-Vertretern in diesem Jahr hin, indirekte Gespräche gebe es immer wieder. Auch, wenn der Deal aus 2015 vermutlich nicht mehr „zum Leben zu erwecken“ sei, sei eine Art „Verständigung“ vorstellbar: „Also, dass der Iran sein Atomprogramm erstmal einfriert und dafür Sanktionslockerungen bekommt.“
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Source:: Kurier.at – Politik