
Es war ein politischer Rollentausch: Österreich steigt von der ewigen Zweier- auf eine Dreierkoalition um, Deutschland tauscht den Ampel-Dreier gegen eine schwarz-rote Regierung. An den guten Beziehungen zwischen Wien und Berlin ändere das nichts, meint Deutschlands Botschafter Vito Cecere – nicht einmal die seit rund einem Monat verschärften Zurückweisungen an Österreichs Grenzen trüben die Stimmung.
KURIER: Ein Berliner Gerichtsurteil hat die Zurückweisungen von Asylsuchenden an deutschen Grenzen für illegal erklärt. Wird das Auswirkungen auf die Kontrollen an österreichischen Grenzen haben?
Vito Cecere: In einem Rechtsstaat ist es normal, sich gerichtlich überprüfen zu lassen. Die Maßnahmen stehen aber und wurden bisher nicht zurückgenommen.
Gab es Proteste von österreichischer Seite?
Im Wahlkampf, als dieses Thema aufkam durch den damaligen Oppositionsführer und jetzigen Bundeskanzler Friedrich Merz, gab es doch die eine oder andere Reaktion aus der österreichischen Politik. Aber nach dem Treffen des deutschen Innenministers Alexander Dobrindt mit Innenminister Karner im Mai stellten wir fest, dass es politisch großes Einvernehmen zwischen den beiden Bundesregierungen gibt – was den Kurs in der Migrationspolitik hinsichtlich unerlaubter Einreisen und unrechtmäßiger Aufenthalte angeht.
Geht es also vor allem um eine Signalwirkung?
Ziel ist, ein Signal zu setzen, dass Deutschland deutlicher darauf achtet, wer ins Land kommt und unter welchen rechtlichen Voraussetzungen. Diese Signalwirkung umfasst ein ganzes Maßnahmenbündel. Dazu zählt unter anderem auch, dass der Familiennachzug ausgesetzt werden soll.
Orientiert sich Deutschland da an Österreich, das ja die Familienzusammenführung schon ausgesetzt hat?
Das Thema spielt in der deutschen Politik schon länger eine Rolle -und ist nicht unumstritten. Mit Blick auf das hohe Aufkommen an Asylbewerbern und auf unerlaubte Einreisen sieht Deutschland aber durchaus eigene Handlungsnotwendigkeit.
Die neue Regierung von Kanzler Merz möchte eine aktive, starke Außenpolitik zeigen. Hat das Konsequenzen für die Beziehung zu Österreich?
Erklärtes Ziel der deutschen Bundesregierung ist es, Europa zu stärken, mit den Partnern gemeinsam die Handlungsfähigkeit der Europäischen Union zu erhöhen. Die Probleme nicht nur im Bereich der Migration, sondern auch der Wettbewerbsfähigkeit sollen angepackt werden. Die Handelspolitik angesichts der Situation mit den USA spielt ebenfalls eine große Rolle.
Mit Blick auf Österreich gibt es viele Möglichkeiten, die ohnehin gute Zusammenarbeit noch weiter zu stärken – beispielsweise, indem vermehrt bilateraler Austausch zwischen den Bundesregierungen stattfindet. Innenminister Dobrindt war schon da. In den nächsten Monaten werden wir weitere hochrangige Besucher aus Deutschland hier sehen.
Heißt das auch für die Wirtschaft mehr Kooperation?
Ich habe den Eindruck, dass Österreich mit großem Interesse darauf achtet, wie sich die wirtschaftlichen Impulse auswirken, die in Deutschland gesetzt werden.
Nicht zuletzt mit dem großen Infrastrukturpaket von 500 Milliarden Euro, die sicherlich auch auf Österreich Auswirkungen haben werden – etwa bei Zulieferungen und Infrastrukturfragen. Unsere engen wirtschaftlichen Beziehungen können nur profitieren.
Europa ist dabei, bei seiner Verteidigung nachzurüsten. Österreich versucht das in kleinerem Rahmen auch. Wird angesichts dieser veränderten Gemengelage Deutschland Österreich anregen, über seine Neutralität nachzudenken?
Es liegt nicht an uns, uns in die innere Diskussion in Österreich einzumischen. Das ist eine Debatte, die hier in Österreich geführt werden muss. In Verteidigungs- und Sicherheits- und auch in rüstungspolitischen Fragen gibt es gute Zusammenarbeit, weil Österreich natürlich ein ureigenstes Interesse hat, die eigene Verteidigungsfähigkeit auch als …read more
Source:: Kurier.at – Politik