
Offiziell ging es um einen „historischen Beschluss“ und um die astronomische Summe von einer Billion Euro. In etwa so viel müssen Europas NATO-Staaten in Zukunft jährlich für Verteidigung ausgeben. Nur dann erreichen sie das Ziel, das sich die westliche Verteidigungsallianz am Mittwoch auf ihrem Gipfel in Den Haag gesteckt hat. Fünf Prozent der Wirtschaftsleistung für Verteidigung.
Inoffiziell aber ging es um etwas, das für Europa weniger Kosten, aber dafür mehr Kopfweh verursacht: Donald Trump bei Laune zu halten. Zu oft hatte der Präsident deutlich gemacht, dass ihm das Bündnis nicht allzu viel bedeute, dass er es jederzeit verlassen könne – und die US-Truppen in Europa gleich mitnehmen würde.
Auch die Verpflichtung zum gegenseitigen Beistand im Kriegsfall, quasi die wichtigste Säule der NATO, bringt Trump – zumindest verbal – gerne ins Wackeln. Noch im Anflug zum Gipfel hatte der US-Präsident wieder einmal diese Beistandspflicht in Zweifel gezogen. Die könne man doch ganz unterschiedlich auslegen, antwortete er auf eine Reporterfrage.
Während diese Bemerkung bei den europäischen Staats- und Regierungschefs gerade Gänsehaut auslöste, wiegelte der US-Präsident schon wieder ab. Die USA seien der „beste Verbündete“, betonte er am Rande des Gipfels, und das werde auch die nächsten vier Jahre bleiben: „Wir stehen voll und ganz hinter ihnen. Die NATO wird sehr stark sein.“ Auch am Verhandlungstisch mit allen Amtskollegen habe Trump Ähnliches gesagt, berichteten europäische Diplomaten erleichtert.
APA/AFP/JOHN THYSBenimmregeln
Man hatte auch wirklich alles getan, um den US-Präsidenten günstig zu stimmen – auch wenn der wieder einmal grob gegen politische Benimmregeln verstieß. NATO-Generalsekretär Mark Rutte hatte Trump kurz vor dem Gipfel ein SMS geschickt, in dem er ihm überfreundlich zum Angriff auf den Iran und die neuen NATO-Ziele gratulierte: „Du hast Europa und die Welt geführt …“ Trump schickte die eigentlich nur für ihn bestimmte Nachricht kurzerhand über soziale Medien in die Welt hinaus. Rutte blieb trotzdem nichts anderes übrig, als gute Miene zum zumindest nicht sehr sauberen Spiel des Amerikaners zu machen. Das sei doch wunderbar, dass Trump die Nachricht veröffentlicht habe, er jedenfalls habe sich sehr darüber gefreut.
Nicht nur der NATO-Generalsekretär, auch die europäischen Regierungschefs waren in Den Haag vor allem darum bemüht, die neuen NATO-Pläne, so kostspielig sie auch sein mögen, zu loben und für unumgänglich zu erklären. Der deutsche Kanzler Friedrich Merz etwa, der mit einem gigantisch aufgestockten Verteidigungsbudget in Deutschland den anderen NATO-Partnern bereits vorausgeeilt ist, betonte: „Wir haben das aus eigener Überzeugung gemacht und nicht um irgendjemandem einen Gefallen zu tun.“
Nur eine Nebenrolle blieb auf diesem Gipfel dem ukrainischen Präsidenten Wolodimir Selenskij. Zwar durfte er mit einigen der Staatschefs und sogar mit Donald Trump ein paar Worte wechseln. Doch die drängenden Fragen nach mehr Geld und mehr Waffen für sein Land blieben auf diesem Gipfel ausgeklammert. US-Außenminister Marco Rubio hatte vor dem Gipfel schon deutlich gemacht, dass man derzeit nicht daran denke, Russland stärker unter Druck zu setzen, weder durch Sanktionen, noch durch Waffen für die Ukraine. Auf dem Gipfel selbst war das ohnehin kein Thema, dort ging es nur darum, schnell und ohne störende Begleitgeräusche Trumps Wunsch nach mehr Geld für …read more
Source:: Kurier.at – Politik