
Wien gilt seit Jahrzehnten als Hotspot internationaler Spionage. Schon während des Kalten Krieges trafen Agenten des KGB und CIA, der Stasi und des BND hier auf neutralen Boden. Die Stadt an der Donau entwickelte sich damals zum wichtigen Knotenpunkt zwischen Ost und West, wo die Supermächte und ihre Verbündeten um Einfluss kämpften. Als neutrales Land im Herzen Europas gelegen, statteten alle wichtigen Geheimdienste ihre Teams in Österreich überdurchschnittlich gut aus.
Als Sitz von rund 50 internationalen und quasi-internationalen Organisationen, über 120 Botschaften und 199 multilateralen Vertretungen ist Wien die historisch gewachsene Hauptstadt internationaler Spionagekultur. Die fast 13.000 Diplomaten genießen Immunität, ihre Bewegungen und Aktivitäten lassen sich nur schwer kontrollieren. Das erleichtert es Nachrichtendiensten, Agenten unter diplomatischer Tarnung zu platzieren.
„Telefone wurden, wurscht wo, abgehört“, erinnert sich der ehemalige Innenminister Karl Blecha etwa in der ORF-Sendung „Menschen & Mächte“. „Es gab kein Telefon, das nicht von interessierten Geheimdiensten genutzt und ausgewertet wurde.“
Laut Verfassungsschutz ist Österreich permanentes Ziel nachrichtendienstlicher Ausforschung.
Österreich als Schaltstelle für iranische Geheimdienstaktivitäten
Wie aus dem aktuellen Verfassungsschutzbericht der Direktion Staatsschutz und Nachrichtendienst (DSN) hervorgeht, reicht auch der lange Arm des iranischen Regimes bis nach Österreich. Die iranische Botschaft in Wien wird darin als „Schaltstelle“ für iranische Geheimdienstaktivitäten in Europa bezeichnet.
Das bestätigt auch Thomas Riegler vom Austrian Center for Intelligence, Propaganda and Security Studies: „Die iranische Vertretung in Wien ist eine der größten in Europa“, so der Geheimdienstexperte gegenüber dem Ö1-Morgenjournal.
Zwölf Diplomatinnen und Diplomaten sind zurzeit an der iranischen Botschaft in Wien akkredidiert, weitere elf Personen bei anderen internationalen Organisationen, wie etwa den Vereinten Nationen, heißt es in dem ORF-Bericht.
Der iranische Geheimdienst sei laut Riegler bekannt dafür, dass er Oppositionelle in westlichen Ländern verfolge und es zu Mordanschlägen kommen könne. So wurde Österreich in der Vergangenheit schon mehrfach zum Schauplatz iranischen Staatsterrorismus. Im Jahr 1987 wurde ein iranischer Oppositionspolitiker in Wien ermordet. Zwei Jahre später, am 13. Juli 1989 wurde einer der führenden iranisch-kurdischen Oppositionspolitiker, Abdul Rahman Ghassemlou, gemeinsam mit zwei Vertrauten, dem Stellvertreter Abdullah Ghaderi-Azar und den in Österreich eingebürgerten Kurden Fadel Rasoul, in Wien getötet.
Ghassemlou, Generalsekretär der Demokratischen Partei Kurdistans – Iran (DPKI) wurde damals unter dem Vorwand von Verhandlungen in die Wohnung eines Mittelsmanns im 19. Bezirk in Wien gelockt – und dort von iranischen Agenten mit Pistolen ermordet. Der Fall wurde nie aufgeklärt. Die mutmaßlichen Täter tauchten zunächst in der iranischen Botschaft unter und konnten nach Interventionen der iranischen Regierung unbehelligt aus Österreich ausreisen. Botschafter Erich Maximilian Schmid, er war damals Chef der Politischen Sektion des Außenamts, erklärte im April 1997 nach seiner Pensionierung in einem TV-Interview, der iranische Botschafter habe „mit ziemlicher Klarheit“ zu verstehen gegeben, dass „es gefährlich werden könnte für die Österreicher im Iran“, sollten die Tatverdächtigen in Österreich vor ein Gericht gestellt werden.
Riegler rät, die Spionagegesetze in Österreich deutlich zu verschärfen – ein Vorhaben, dass die derzeitige Regierung laut Regierungsprogramm auch umzusetzen plant. Aktuell ist Spionage in Österreich nur dann strafbar, wenn sie gegen die Interessen der Republik Österreich gerichtet ist. Spionage gegen die Interessen anderer Staaten oder gegen internationale Organisationen ist straffrei und damit …read more
Source:: Kurier.at – Politik