„Es gibt keine Männer mehr“: Russland gehen die Arbeiter aus

Politik

Weil Männer an der Front deutlich besser verdienen, haben Unternehmen mit massivem Arbeitskräftemangel zu kämpfen. Auch an Polizisten mangelt es mittlerweile.

Der Krieg gegen die Ukraine führt in Russland zu einem wachsenden Arbeitskräftemangel, der inzwischen alle Lebensbereiche betrifft. Selbst an Polizisten mangelt es inzwischen. Die verstärkte Rekrutierung für die Streitkräfte und die Rüstungsindustrie hat Arbeitskräfte von zivilen Unternehmen abgezogen. Die Arbeitslosenquote liegt mittlerweile mit 2,3 Prozent auf einem Rekordtief, wie aus Daten des Statistikamtes Rosstat hervorgeht.

Präsident Wladimir Putin hat den Mangel an Arbeitskräften als großes wirtschaftliches Problem benannt und die Steigerung der Arbeitsproduktivität als eines seiner nationalen Entwicklungsziele festgelegt. 

Zudem werden Frauen dazu angehalten, mehr Kinder zu bekommen.

In Swerdlowsk, einer Region an der Ostseite des Uralgebirges mit vielen Rüstungsunternehmen, gab es Anfang Oktober 54.912 offene Stellen. Dem stehen 8.762 Arbeitslose gegenüber, so das regionale Arbeitsministerium. In Zentralrussland mit seinen etwa 40 Millionen Einwohnern kommen neun offene Stellen auf eine arbeitslose Person, sagt der Sonderbeauftragte des Präsidenten für das Gebiet, Igor Schtschegolew.

Drei Viertel der Unternehmen haben mit Arbeitskräftemangel zu kämpfen

Die Vermittlungsagentur Superjob meldet, dass die Stellenangebote in Russland binnen zwei Jahren um das 1,7-Fache gestiegen sind – in der Industrie sogar um das 2,5-Fache. Der Zentralbank zufolge leiden 73 Prozent der heimischen Unternehmen unter Personalmangel. „Der Personalmangel hat sich zu einem Phänomen entwickelt, das praktisch alle Teile des Wirtschaftssystems erfasst“, sagt Rostislaw Kapeljuschnikow, stellvertretender Direktor des Arbeitsforschungszentrums an der Hochschule für Wirtschaft in Moskau.

„Es gibt keine Männer mehr“

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Die Nachrichtenagentur Reuters befragte mehr als ein Dutzend Unternehmen, Arbeitnehmer, Vermittler und Ökonomen aus Branchen wie Bau, Landwirtschaft und IT. Die Chancen, dass sich die Lage bald bessert, stehen ihnen zufolge schlecht. Ein Problem ist die Bezahlung. In Swerdlowsk erhalten diejenigen, die sich für den Kampf in der Ukraine verpflichten, einen einmaligen Bonus. Dieser beträgt 2,1 Millionen Rubel (18.000 Euro). Das entspricht fast dem 25-Fachen des durchschnittlichen Monatslohns in Russland. 

Der Vertreter einer örtlichen Vermittlungsagentur betont, seine Kunden hätten Arbeiter an die Front verloren: „Sie sagen: Früher hatte ich 100 Leute, aber jetzt gibt es keine Männer mehr.“ Der Personalmangel ist in der Fertigung, Logistik und IT spürbar, sagen Vermittler. Am stärksten ausgeprägt ist er aber in der Baubranche. Das treibe die Preise in die Höhe und beeinträchtige Fristen und Qualität, sagen Experten.

Direktor Sergei Pachomow vom Bauplaner Golos Group sagt, sein Unternehmen müsse entscheiden, ob es neue Projekte überhaupt noch annehmen könne. „Nicht weil kein Geld da ist, sondern weil Leute fehlen, die auf die Baustelle kommen, um zu arbeiten“, sagt er und prognostiziert zugleich, dass das Problem in den nächsten fünf Jahren eher größer werden dürfte.

In anderen Branchen sieht es nicht viel besser aus. Etwa 200.000 Menschen oder 3,3 Prozent aller landwirtschaftlichen Arbeitskräfte haben diesen Sektor im vergangenen Jahr verlassen, schätzte Landwirtschaftsministerin Oksana Lut. Auch im Innenministerium, dem die Polizei untersteht, ist der Mangel da, erklärt die Vorsitzende des Föderationsrates, Walentina Matwijenko. Das Ministerium gab an, dass sich die Zahl der unbesetzten Stellen binnen zwei Jahren auf 173.800 verdoppelt hat. Das entspricht fast 19 Prozent des Gesamtpersonals.

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Source:: Kurier.at – Politik

      

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