
Wofür entscheiden sich die Grönländer? In der Arktis geht es um Bodenschätze und die militärische Vorherrschaft
Der Roman-Bestseller „Fräulein Smillas Gespür für den Schnee“ aus 1992 und die filmische Umsetzung des Thrillers im Jahr 1997 haben vielen Menschen einen ersten Eindruck von Grönland vermittelt. Rund 30 Jahre später hat es die größte Insel der Welt dank der wiederholt geäußerten Besitzansprüche von US-Präsident Donald Trump in die Hauptnachrichten geschafft.
Vom „ewigen Eis“ in der Arktis kann wegen des Klimawandels keine Rede mehr sein. Laut Modellrechnungen könnte es schon 2030 zum ersten eisfreien Sommer kommen, der Zugriff auf die Bodenschätze wird dadurch immer leichter. Der Kampf um die militärische Vorherrschaft und die Rohstoffe in der Arktis sorgt weltweit für Schlagzeilen. Und wie an vielen anderen Fronten auch ringen Russland, China und die USA um die Poleposition am Polarkreis.
Am Dienstag entscheiden die rund 57.000 Einwohner, davon leben 20.000 in der Hauptstadt Nuuk, bei Parlamentswahlen über ihre Zukunft.
Drei Szenarien
Trumps eindeutige Avancen im Verhältnis zum seit Jahren laufenden Prozess der Abnabelung von Dänemark waren ein zentrales Wahlkampfthema. Die Grönländer und Grönländerinnen müssen sich für eines der drei Szenarien entscheiden: Verbleib bei der alten Kolonialmacht Dänemark, die völlige Unabhängigkeit über den 1979 gewährten Autonomiestatus hinaus oder die Hinwendung zu den USA. Trump möchte nicht weniger als sich die Insel einverleiben, notfalls auch militärisch.
Laut einer Umfrage von Ende Jänner wollen 85 Prozent der Grönländer freilich nicht Teil der USA werden. Für 45 Prozent ist das US-Interesse gar eine „Bedrohung“, während immerhin 43 Prozent eine – offenbar wirtschaftlich interessante – „Gelegenheit“ sehen.
Ein bisschen Trump
Regierungschef Múte B. Egede versucht die goldene Mitte zu treffen. Man sei durchaus zu Gesprächen mit den USA bereit – etwa über den Abbau von Bodenschätzen und seltenen Erden oder zur Erschließung der vermuteten riesigen Öl- und Gasreserven vor der Nordküste Grönlands.
Das Land stehe allerdings nicht zum Verkauf, kontert Egede der Trumps-Maxime von „Drill, baby, drill“. „Wir sind Grönländer. Wir wollen keine Amerikaner sein“, sagt Egede und fügt hinzu, die Einwohner wollen auch „nicht dänisch sein“.
Das Verhältnis zur alten Kolonialmacht gilt als durchaus angespannt. Zwar stützt Dänemark Grönland mit hohen Subventionen, wird aber auch für viele Probleme der Insel zumindest mitverantwortlich gemacht.
Ernste Probleme
Ein drastisches Beispiel: Bis in die 1960er-Jahre war Suizid in Grönland unüblich. Danach sorgte der schnelle Übergang von der kolonial beeinflussten, traditionellen Lebensweise der Inuit zu einer verwestlichten industrialisierten Gesellschaft für Alkoholismus, sexuellen Missbrauch, Depression und Armut. Heute hat Grönland die höchste Selbstmordrate der Welt.
Um die 31 Sitze im grönländischen Parlament „Inatsisartut“ bewerben sich sechs Parteien mit insgesamt 213 Kandidatinnen und Kandidaten. Das Wahlversprechen von Egedes regierender Partei „Inuit Ataqatigiit“ ist die Reform des Gesetzes über die grönländische Selbstverwaltung, um „Herr im eigenen Haus zu werden“. Die völlige Unabhängigkeit vom Königreich Dänemark sei das Ziel, aber erst mittelfristig.
Schneller will es Egedes bisheriger Koalitionspartner Erik Jensen von der Partei „Siumut“ angehen. Er verspricht sofort nach der Wahl mit Dänemark über die völlige Unabhängigkeit der Insel zu verhandeln. Denn trotz der 2009 erweiterten Autonomie ist Kopenhagen noch für Justiz- und Währungsfragen, aber vor allem für die Außen- …read more
Source:: Kurier.at – Politik