Nach dem historischen Ergebnis von 13,9 Prozent vor fünf Jahren könnten die Grünen am heutigen Wahltag einstellig werden. Und dennoch: Ihr Selbstbewusstsein ist nach der Regierungszeit so groß wie nie.
Das Metropol in Wien-Hernals war für die Grünen schon Schauplatz großer Tragödien und großer Freude: Eine Tragödie war für sie, als der grüne Balken 2017 bei 3,8 Prozent stehen blieb und sie im Anschluss aus dem Nationalrat geflogen sind. Große Freude brach aus, als er 2019 auf 13,9 Prozent anstieg und sie erstmals Koalitionspartner im Bund wurden.
Viereinhalb Jahre später grundelt die Partei um Spitzenkandidat Werner Kogler in Umfragen im einstelligen Bereich herum, immer knapp vor oder knapp hinter den Neos. Aktuell werden ihnen rund 10 Prozent zugetraut – mitberücksichtigt ist da erstmals der „Hochwasser-Effekt“:
Die schweren Überflutungen im Osten Österreichs vor zwei Wochen haben das Klima-Thema wieder mehr in den Fokus gerückt – was den Grünen im Endspurt noch einen (kleinen?) Schub gegeben haben dürfte.
Klimaschutz war im gesamten Wahlkampf der Grünen das zentrale Thema. Was in den viereinhalb Jahren in der türkis-grünen Regierung sonst noch gelungen ist – die ökosoziale Steuerreform, das Klimaticket, die Valorisierung der Sozialleistungen etc. – wurde eher in langen Nebensätzen erwähnt.
Dabei haben gerade diese Verhandlungserfolge zu ihrem jetzt schier überdimensionalen Selbstbewusstsein beigetragen. Mit der bunten Ökotruppe, die sie noch vor fünf Jahren waren, hat die jetzige Einheit um Vizekanzler Kogler nicht mehr viel gemein. Dass die Grünen es schaffen würden, binnen kürzester Zeit in ihren Ministerien eine straffe Organisation aufzustellen – ganz zu schweigen vom Parlamentsklub, den Sigrid Maurer fest im Griff hat – hätte 2019 wohl niemand gedacht.
Gewessler unverzichtbar
Und die Grünen sind wild entschlossen, weiterzumachen. Sie wollen wieder regieren. Auch, wenn hinter den Kulissen niemand so recht daran glaubt.
Durch ihre Durchsetzungskraft und Hartnäckigkeit – um nicht zu sagen: Rücksichtslosigkeit – gegenüber der ÖVP haben die Grünen als Juniorpartner verbrannte Erde hinterlassen. Dessen ist man sich in der Partei bewusst, wie man hört.
Eine Schlüsselperson ist dabei Leonore Gewessler. Von Sympathisanten für ihr Ja zum EU-Renaturierungsgesetz wie eine Heldin gefeiert, ist die Klimaministerin für die Türkisen spätestens seit dieser Aktion Persona non grata.
ÖVP-Kanzler Karl Nehammer hat Gewessler (ebenso wie Herbert Kickl von der FPÖ) bereits namentlich ausgeschlossen, wenn es um eine mögliche neue Regierung geht. Kogler wiederum hat klargestellt, dass Gewessler für ihn unverzichtbar ist.
Wie geht’s für die Grünen weiter?
Apropos Gewessler. Wie es für sie weitergeht, ist ein großes Fragezeichen. Dass sie für unbestimmte Zeit als einfache Abgeordnete ins Parlament geht, gilt laut jenen, die sie gut kennen, als ausgeschlossen. Gewessler wolle mehr, sie sei eine „Macherin“, heißt es da.
Seit Jahren schon wird sie als Nachfolgerin von Parteichef Kogler gehandelt – der aber hat bis dato keine Anstalten gemacht, den Platz zu räumen. In Gang gesetzt werden könnte eine Debatte, sollten die Grünen am heutigen Wahlsonntag einstellig werden, im Ergebnis also unter 10 Prozent zum Liegen kommen.
Befürchtet wird von manchen auch eine Entwicklung, wie sie derzeit in Deutschland zu beobachten ist: Hier regieren die Grünen seit Ende 2021 in einer Ampelkoalition mit SPD und FDP. Schlechte Umfrage- …read more
Source:: Kurier.at – Politik