Herzlich, aber hart: Mette Frederiksen soll das EU-Asylproblem lösen

Politik
Danish Prime Minister Mette Frederiksen visits London

Das Foto der Vogue sieht aus wie ein Stillleben. Mette Frederiksen sitzt im weißen Hosenanzug vor altem Mobiliar, die Beine überkreuzt, die Hände verschränkt. Ihr Haar trägt sie wie immer, streng nach hinten gekämmt. Die Vogue urteilt: „Ihr stabiler französischer Knoten ist immun gegen die Böen des nordischen Sommerwindes.“

Politikerinnen werden immer auf ihr Äußeres hin taxiert, genauso wie ihr Familienleben stets eine größere Rolle spielt als bei Männern. Frederiksen, bei Amtsantritt vor sechs Jahren die jüngste Premierministerin Dänemarks, ist da keine Ausnahme. In der Vogue, der Mutter aller Modezeitschriften, hat sie sich aber ganz bewusst inszeniert.

Das sagt viel über die 47-Jährige. Dänemark hat mit 1. Juni die EU-Ratspräsidentschaft übernommen, und die Sozialdemokratin hat nicht vor, still die nette Mediatorin zwischen den lauten EU-Größen zu spielen. Sie schickt sich an, Europas Politik nach ihren Vorstellungen umzukrempeln: Schon Wochen vor der Amtsübernahme hat sie mit Italiens Premierministerin Giorgia Meloni und Österreichs Kanzler Christian Stocker öffentlich eine Neuordnung der EU-Asylregeln gefordert, frei nach dem Motto: Europas Gerichte sind viel zu liberal und migrantenfreundlich. Und das als überzeugte Sozialdemokratin.

Links und rechts zugleich

Überraschen sollte das niemanden. Die Vorstoß ist die konsequente Fortsetzung von Frederiksens nationaler Politik, die schon immer auf einen harten Anti-Migrations-Kurs setzte. Die Dänin übernahm ihre Partei vor zehn Jahren; nach einer Wahlschlappe und in einer Zeit, als wegen der Flüchtlingskrise die Wähler europaweit zu den Rechtspopulisten wanderten. Dänemark war da keine Ausnahme, nur war Frederiksens Antwort erstaunlich anders: Sie fremdelte nicht mit dem ideologischen Gegner, sondern gab mit dem Chef der Rechtspopulisten sogar gemeinsam Interviews. „Chamäleon“ nannten die Medien sie deshalb halb verächtlich, doch ihr Versprechen, die Grenzen dicht und den dänischen Sozialstaat wieder nur den Dänen zugänglich zu machen, zog. Frederiksen gewann die Wahl 2019, und ihre Beliebtheitswerte sind seit Jahren konstant. Die Rechtspopulisten dümpeln hingegen bei 15 Prozent.

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Viel Gegenwind

Reibungslos verlief dieser Prozess aber auch in Dänemark nicht, wo selbst in der Politik viel kuschelig-„hygge“ ist. Frederiksen, die im ländlichen Jütland in einem klassischen Arbeiterhaushalt aufwuchs, deren Vater bereits in dritter Generation Mitglied der Sozialdemokraten war und die selbst als Studentin in Kenia als Lehrerin arbeitete, verprellte viele Parteimitglieder. Zugleich wanderten viele Wähler zu den Grünen über; und viele ihrer Ideen – etwa der Abriss von Stadtvierteln, in denen überproportional viele Migranten leben – sorgen für endlose Debatten.

Auf rein politischer Ebene aber hat Frederiksens Plan funktioniert. Während es viele sozialdemokratische Parteien an der Migration zerriss – Österreichs Richtungsstreit zwischen Peter Doskozil und Andreas Babler ist nur eines von vielen Beispielen –, gilt Dänemark in Sachen Asyl mittlerweile für viele andere EU-Mitglieder als Vorbild. Gerade mal 860 Asylwerber hat der Staat 2024 anerkannt, Unterstützung erhalten die kaum. Und wer nicht bleiben darf, wird in ein Sammellager gesteckt – unter teils „unmenschlichen“ Bedingungen, wie der Europarat urteilte.

EPA/TOLGA AKMEN

Frederiksen bei einem Besuch in Downing Street 10

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Source:: Kurier.at – Politik

      

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