Van der Bellen sei in seinem weiteren Vorgehen sehr frei, erklärt Verfassungsexperte Jabloner am Tag nach der Nationalratswahl. Die FPÖ habe als Wahlsieger rechtlich keine Ansprüche.
Die Nationalratswahl ist geschlagen – mit der FPÖ als klaren Sieger. Alles andere als klar ist aber, ob die FPÖ – namentlich Parteichef Herbert Kickl – auch den Auftrag erhält, eine Regierung zu bilden.
Bundespräsident Alexander Van der Bellen ließ das gestern noch offen. Er werde in der kommenden Woche Gespräche mit allen im Nationalrat vertretenen Parteien führen, sagte er.
Van der Bellen kann sich Zeit lassen – und ist an kein Wahlergebnis gebunden. „Der Bundespräsident ist sehr frei in seinem Vorgehen“, erklärt Clemens Jabloner, Kurzzeit-Justizminister und Verfassungsjurist, heute im Ö1-Morgenjournal.
„Keine Bedingungen“
Nun könnte die FPÖ einwenden, dass es immer schon so war, dass der Wahlsieger den Auftrag erhalten hat – und dass Van der Bellen Verfassungsbruch begehen würde, wenn er das nicht tut. Oder, dass diese „Freiheit“ eine rein formaljuristische Sicht sei.
„Davon kann keine Rede sein“, sagt Jabloner. „Weil es diesen Auftrag nicht gibt in unserer Bundesverfassung. Es gibt auch weder demokratierechtliche noch grundrechtliche Bedingungen dafür.“
Der Bundespräsident habe nur dafür zu sorgen, dass eine Regierung zustande kommt, die im Nationalrat Bestand hat – sprich: die mit einer Parlamentsmehrheit Gesetze beschließen kann.
Nun hat Van der Bellen in der Vergangenheit schon recht deutlich gemacht, dass er eine „antieuropäische Partei“ wie die FPÖ nicht mit der Regierungsbildung beauftragen werde. Was passiert nun, wenn sich ÖVP und FPÖ einigen – könnte Van der Bellen dem im Wege stehen?
„Der Bundespräsident muss rechtlich keine Regierung ernennen, die er nicht will“, sagt Jabloner. Wenn dann aber eine Regierung im Amt wäre, die keine Mehrheit im Nationalrat hat, würde ein sofortiges Misstrauensvotum drohen.
Und auch für diesen Fall ist in der Verfassung vorgesorgt: Der Bundespräsident könnte dann den Nationalrat auflösen und auf diese Weise Neuwahlen provozieren.
„Netter Brauch“
Damit stellt Jabloner am Tag nach dem Wahlsonntag klar, dass die FPÖ rechtlich keinerlei Anspruch auf den Kanzlersessel oder einen Platz in der Regierung hat.
Selbiges gilt für den Posten des Ersten Nationalratspräsidenten, derzeit noch besetzt von Wolfgang Sobotka, ÖVP. Es sei „ein netter Brauch“, dass die stimmenstärkste Partei diesen bekommt. Gewählt werden die drei Präsidenten aber nach den Regeln der Geschäftsordnung im Nationalrat, sagt Verfassungsjurist Jabloner.
Source:: Kurier.at – Politik