Dutzende Menschen kamen bei den schweren Unwettern in Spanien ums Leben. Der Klimawandel verstärkt solche Extremwetter.
Von Julia Macher, Barcelona
Eine dicke Schlammschicht bedeckt die Straßen. In den Absenkungen stapeln sich Autos wie Spielzeug übereinander. Auf einem verlassenen Lastwagen an A7 stehen Käfige mit teils verendeten Hühnern. 36 Stunden nach der großen Flut wird das Ausmaß der Katastrophe erst Stück für Stück ersichtlich. Mindestens 95 Menschen kamen bei dem schweren Unwetter in der Mittelmeerregion Valencia und im zentralspanischen Castilla-La Mancha ums Leben.
Und immer noch werden viele vermisst. Das spanische Fernsehen schaltet fast im Minutentakt zu Menschen, die immer noch ihre Angehörigen vermissen. Rosana sucht ihre 80-jährige Mutter, die aus ihrem Dorf evakuiert werden sollte, kurz bevor die Flut kam. Seitdem fehlt jede Spur. Jorge vermisst seine Frau, die mit der gemeinsamen Tochter Freunde besuchen wollte.
Sturzfluten mit extrem zerstörerischen Potential
Dienstagabend verwandelten sich die Straßen der Region in wenigen Minuten in reißende Flüsse. Die Wassermassen rissen Bäume, Container, Brücken, ganze Häuser mit sich. Verursacht haben die extremen Regenfälle eine sogenannte DANA oder Kaltlufttropfen. Dabei wird warme, feuchte Luft von kalten Luftschichten eingekesselt. Dieses innen entstehende Kissen speichert viel Feuchtigkeit. Es kühlt sich schnell ab, und lässt in kürzester Zeit enorme Mengen Regen fallen. Im Ort Chiva westlich von Valencia fielen 445 Liter Wasser pro Quadratmeter – so viele wie sonst in einem ganzen Jahr.
Das Phänomen ist nichts Außergewöhnliches für die Mittelmeerzone. Aber laut einer Studie der Polytechnischen Universität Kataloniens hat sich die Intensität der Regenfälle in den letzten 50 Jahren mehr als vervierfacht. Hauptgrund sind die durch den Klimawandel steigenden Temperaturen: Denn je wärmer die Luft, desto mehr Feuchtigkeit kann sie speichern – und desto intensiver werden die Wolkenbrüche. „Die Kaltlufttropfen im Mittelmeerraum haben inzwischen das gleiche zerstörerische Potenzial wie Hurrikane im Karibik“, sagt Jorge Olcina, Direktor des Klima-Observatoriums an der Universität Alicante. „Wir müssen dringend unsere Protokolle und unser Verhalten anpassen“, sagt Olcina. Aber damit tun sich die Verwaltungen schwer.
Falsches Krisenmanagement?
Der spanische Wetterdienst Aemet hatte bereits am Dienstagvormittag die höchste Alarmstufe ausgelöst und vor „extremer Gefahr“ gewarnt. Doch erst um kurz nach 20 Uhr piepsten die Handys der Bewohnerinnen und Bewohner der Stadt. Per Push-Meldung forderte der Katastrophenschutz der Region die Valencianer auf, wegen der Unwetter unbedingt zuhause zu bleiben. Doch da hatten sich in den umliegenden Dörfern schon Straßen in reißende Sturzbäche verwandelt, Lastwagen- und Autofahrer waren von Wassermassen umschlossen. „Hätten wir nur zwei Stunden früher den Hinweis erhalten, hätten sich viele Menschen noch retten können“, erzählt ein schluchzender Mann einem Fernsehreporter.
Die Zentralregierung hat inzwischen 2500 Polizisten und 1100 Einsatzkräfte des Katastrophenschutzes des Militärs in die Region geschickt. Die Regionalregierung hat 250 Millionen Euro Soforthilfen für die Opfer bereitgestellt.
Falsche Stadtplanung als Strukturproblem
Für eine Bilanz der Schäden ist es noch zu früh. Aber das Ausmaß der Katastrophe lenkt die Aufmerksamkeit wieder auf ein bekanntes Strukturproblem: Die spanische Mittelmeerküste ist zu dicht bebaut, um die Herausforderungen solcher Extremwetter schultern zu können: Wohnsiedlung drängt sich an Feriendorf, teils gehen die Strandpromenaden eines Orts direkt in …read more
Source:: Kurier.at – Politik