
Sollen Minderjährige und Teenager darin bestärkt werden, ihr Geschlecht zu ändern, Hormone zu schlucken und sich allenfalls ihre Brüste amputieren zu lassen?
Diese existenzielle und heikle Frage, polarisiert in diesen Tagen in der Politik. Bei den Grünen führte die Debatte erst zur Anfeindung von und schließlich zum Bruch mit der langjährigen Nationalratsabgeordneten Faika El-Nagashi.
Doch wie groß ist das Thema wirklich? Wie viele Menschen betrifft es? Und stimmt möglicherweise die Behauptung, dass eine sehr kleine, aber sehr laute und aggressiv agierende Lobby das Thema dominiert?
Hält man sich ans Personenstandsregister, so ist die Frage – noch – eine zu vernachlässigende: Mit Stand April haben sich von mehr als 9,2 Millionen Menschen in Österreich 73 als „divers“, 7 als „intersexuell“, 11 als „offen“ und 197 ohne geschlechtlichen Eintrag vermerken lassen, kurzum: Wir sprechen von 0,003 Prozent der Bevölkerung.
Diese Daten bilden freilich nur wenig bis gar nicht ab, was sich gerade jetzt in Klassen- und Wartezimmern abspielt.
„Die Kohorte der Kinder, die sich als geschlechtsdysphorisch (unglücklich mit dem Geschlecht, Anm.) bezeichnen, ist neu und überhaupt erst zwischen 2005 und 2010 entstanden“, sagt Bettina Reiter. „Vorher gab es diese Gruppe praktisch nicht, sondern nur Erwachsene, die lieber in einem anderen Geschlecht leben wollten.“
Reiter ist Psychiaterin und Psychoanalytikerin. Sie spricht von dramatisch zunehmenden Zahlen bei jungen Menschen. „Es ist etwas ins Rutschen geraten. Wir beobachten Zuwachsraten von 4.000 Prozent in zehn Jahren.“ Und diese Zunahme könne man auch nicht damit erklären, dass sich die Betroffenen vorher nicht an die Öffentlichkeit getraut hätten.
International wird das Phänomen als „Rapid Onset Gender Dysphoria“, kurz ROGD, beschrieben und beobachtet, also: eine plötzlich auftretende Geschlechtsdysphorie. Und obwohl Sozialwissenschafter und Mediziner erst beginnen zu verstehen, warum eine derart große Zahl an Jugendlichen – und vor allem Mädchen- massiv unglücklich mit ihrem Geschlecht ist, hat das Phänomen sehr konkrete und reale Auswirkungen.
In Österreich werden mittlerweile in drei Zentren Minderjährige mit Medikamenten, mit Betreuung und Operationen dabei unterstützt, ihr Geschlecht zu ändern.
„2023 wurden 122 gesunde Brüste amputiert, weil junge Frauen Männer sein wollten“, sagt Reiter, die insbesondere das junge Alter für die Eingriffe kritisch sieht.
In der medizinischen Community gibt es über die Trans-Therapie, die auf der Annahme beruht, dass das Geschlecht eines Menschen Entscheidungssache ist und nicht von der Biologie vorgegeben wird, wenig bis keine kritische Diskussion. Warum?
„Es herrscht leider ein Klima von Vorsicht und Angst“, sagt Reiter. Wer sachlich hinterfrage, ob Geschlechtsumwandlungen bei jungen Menschen sinnvoll seien, müsse mit beruflichen Konsequenzen (Anfeindungen, Shitstorms etc., Anm.) rechnen – soviel persönlichen Mut bringe verständlicherweise nicht jeder auf.
Bestärkung nicht hilfreich
Als wesentliches Problem betrachtet Reiter, die selbst Betroffene betreut, die wohlmeinende Haltung von Eltern, Familien und dem sozialen Umfeld bzw. der Schulen. „Wenn eine Familie in eine derartige Situation gerät, ist Bestärkung kein hilfreicher Zugang.“
Reiter rät dazu, abzuwarten und allenfalls therapeutische Hilfe zu suchen, die aber eines nicht tun dürfe, nämlich: die Notwendigkeit einer Geschlechtsumwandlung von vornherein als gegeben anzunehmen.
„Erwachsene haben die Verantwortung, in wichtigen Situationen auch Nein zu sagen.“
Medizinische Maßnahmen, die die Anpassung an das Wunschgeschlecht zum Ziel haben, seien derart massive Eingriffe, dass sie jedenfalls hinterfragt werden müssten.
Depressionen, …read more
Source:: Kurier.at – Politik