Am heutigen Mittwoch ist die Begutachtungsfrist abgelaufen. Experten wittern Mängel, Juristen sind sich uneins.
2018 hat die damalige ÖVP-FPÖ-Koalition einen „Bundestrojaner“ zur Überwachung von Messenger-Nachrichten beschlossen, noch vor Inkrafttreten wurde er 2019 vom Verfassungsgerichtshof (VfGH) gekippt.
Nach langem Widerstand der Grünen hat Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) nun im Gefolge der verhinderten mutmaßlichen Anschlagspläne auf ein Taylor-Swift-Konzert einen neuen Gesetzesentwurf zur Messenger-Überwachung in Begutachtung geschickt. Datenschützer lehnen auch diesen ab.
Die ÖVP hat schon länger Druck für mehr Befugnisse der Direktion für Staatsschutz und Nachrichtendienst (DSN) zur Messenger-Überwachung gemacht. Die Grünen lehnen einen neuen „Bundestrojaner“ wegen des Eingriffs in Grund- und Freiheitsrechte zwar weiter ab, haben sich zuletzt aber für neue Möglichkeiten für die DSN zur Verhinderung terroristischer Gewalttaten offen gezeigt und für eine Begutachtung des Gesetzesentwurfs plädiert, um offene Fragen zu klären. Die Frist dafür hat am heutigen Mittwoch geendet.
„In äußerst engen Grenzen“
Bei Datenschutzorganisationen fällt auch der neue Entwurf des Staatsschutz- und Nachrichtendienstgesetz (SNG) zur Messenger-Überwachung durch. Darin ist das Innenministerium zwar explizit auf die VfGH-Vorgabe eingegangen, dass eine Überwachung von Computersystemen nur „in äußerst engen Grenzen“ zulässig ist. Die im Gesetz vorgesehene Einschränkung der Überwachung auf einen bestimmten Umfang von Daten aus einem definierten Zeitraum ist aber etwa für epicenter works nur „rechtliche Fiktion“, weil ein „Bundestrojaner“ nur bei vollumfänglichen Administrationszugriff auf das Mobiltelefon funktioniere.
Der verstärkte Rechtsschutz – vorgesehen ist eine Bewilligung durch das Bundesverwaltungsgericht und Befassung des Rechtsschutzbeauftragten beim Innenministerium – sei wiederum ohne eine neue Institution wie einen Rechtsschutzsenat bzw. ohne zusätzliche Mittel oder Kompetenzen „lediglich ein Lippenbekenntnis“.
Konkrete Angaben fehlen
Der Datenschutzbehörde (dsb) erscheinen die im Gesetzesentwurf vorgesehenen Hürden für einen so „tiefgreifenden“ Eingriff wie die Messenger-Überwachung zu gering. Ob die geplante Software aus Datenschutzsicht zulässig ist, kann die dsb nicht einmal abschätzen, weil die genaue Beschreibung der technisch-organisatorischen Rahmenbedingungen fehlt – eine Kritik, die sich auch in anderen Stellungnahmen mehrmals wiederholt.
Dem Datenschutzrat fehlen konkrete Angaben, wieso die Maßnahme erforderlich und geeignet ist, um schwerwiegende Bedrohungen abzuwenden. Auch die Datenschutzorganisation noyb vermisst eindeutige Regelungen, die sicherstellen, dass die eingesetzte Software den Anforderungen von Datenschutz und Verfassung entspricht. Für einen rechtsstaatlichen Einsatz bräuchte es jedenfalls Schutzmechanismen wie externe Audits, Zertifizierungen und revisionssichere Protokollierung.
Juristen uneins
Uneins sind sich Juristen. Zustimmung zur geplanten Regelung kommt von Vertretern des Instituts für Strafrecht und Kriminologie der Uni Wien. Dass im Gegensatz zu anderen rechtsstaatlichen Demokratien nicht zumindest in schwerwiegenden Einzelfällen auf Kommunikationsinhalte zugegriffen werden könne, um Verbrechen vorzubeugen und begangene Taten aufzuklären, ist für die Strafrechtsprofessoren Farsam Salimi und Susanne Reindl-Krauskopf schwer nachvollziehbar. Nun werde diese „Lücke“ zumindest beim Verfassungsschutz geschlossen.
Die Gefahr flächendeckender Überwachung sehen beide nicht, solle die Maßnahme doch nur bei schwerwiegender Bedrohung bzw. Spionagefällen in Frage kommen und auch das nur, wenn der Einsatz anderer Maßnahmen aussichtslos wäre. Durch das mehrstufige Bewilligungs- und Kontrollverfahren werde der Grundrechtseingriff auf das absolut notwendige Maß beschränkt. „Keine Einwände“ äußert auch die Generalprokuratur beim Obersten Gerichtshof (OGH), sei doch die Eingriffsschwelle „sehr hoch angelegt“.
Skepsis von mehreren Seiten
Weit skeptischer sieht man das im Institut für Österreichisches und Europäisches Wirtschaftsstrafrecht der Wirtschaftsuni (WU). Es sei nicht klar, ob …read more
Source:: Kurier.at – Politik