
Oft ist von einem Versagen der russischen Streitkräfte auf ganzer Linie die Rede, dabei wird übersehen, dass sie durchaus auf Lageänderung reagieren können. Ein Risiko für eine etwaige ukrainische Gegenoffensive.
Ein russischer Panzer, der von einem ukrainischen Traktor abgeschleppt wird, russische Soldaten ohne Nachschub, ein Konvoi, der knapp vor Kiew unter massivem Artilleriefeuer teilweise vernichtet wird – in den ersten Tagen des Angriffskriegs auf die Ukraine machten rasch Videos und Fotos in (westlichen) Sozialen Medien die Runde, die das Bild einer kopflosen, unorganisierten und ungeschickten russischen Armee zeigten.
10.000 Drohnen pro Monat
Zu einem guten Teil entspricht das der Realität: Das ursprüngliche Ziel, die ukrainische Hauptstadt handstreichartig einzunehmen, ist gescheitert. Ebenso die Eroberung Odessas. Auch von der Einnahme des gesamten Donbass sind die russischen Streitkräfte meilenweit entfernt. Dennoch hat sich die russische Kriegsführung der Lage angepasst, aus Fehlern gelernt – und vernichtet beispielsweise monatlich 10.000 ukrainische Drohnen.
➤ Mehr lesen: FPV-Drohnen werden für die Kämpfer zum Albtraum
Zu diesem Schluss kommt unter anderem die britische Denkfabrik Royal United Services Institute (RUSI) in ihrem aktuellen Bericht. Ein Punkt, der vor allem in den kommenden Wochen schlagend werden dürfte: Die Fähigkeiten der russischen Pioniertruppe.
Vor allem die komplexen und größtenteils durchgängigen Befestigungslinien, die in den vergangenen Monaten errichtet wurden, werden die ukrainischen Streitkräfte vor große Probleme stellen. Minenfelder, Panzergräben, Drachenzähne, Bunker und Schützengräben – und das in einer Tiefe von einigen Kilometern. Nach derzeitigem Stand dürfte ein Angriff auf Verteidigungssysteme wie dieses eine hohe Zahl an Opfern erfordern. Unabhängig davon, wie koordiniert die ukrainischen Streitkräfte den sogenannten Kampf der verbundenen Waffen beherrschen sollten.
➤ Die US-Gleitbomben könnten den Kriegsverlauf in der Ukraine ändern
Dazu kommt die Artillerie, die die russischen Kräfte vermehrt einsetzen, um eine Rückeroberung besetzter Gebiete zu verhindern.
Der Munitionsverbrauch auf russischer Seite war und ist immens – im Sommer vergangenen Jahres verschoss die russische Artillerie 60.000 Granaten pro Tag. Von den 17 Millionen Stück, die das Land vor dem Krieg hatte, dürften noch etwa sechs Millionen übrig sein. Gleichzeitig produziert Russland 9.000 Stück pro Tag (die USA nach derzeitigem Stand knapp über 500). Dennoch ist auch auf russischer Seite Haushalten angebracht. Dies gelingt laut dem RUSI-Bericht dank der „konsequenten Integration von Drohnen“. Anhand des sogenannten „Strelets Systems“ sei es möglich, Drohnenaufklärungsergebnisse zu verbessern, da die Drohnen mittlerweile den Kommandostellen direkt unterstellt seien, würde auch die Feuerfreigabe rascher erfolgen. Damit kann Artillerie effizienter eingesetzt werden.
Ein weiterer Fortschritt aus russischer Sicht ist der Einsatz von Lancet-Drohnen – mehr als 100 ukrainische Haubitzen wurden von ihnen in den vergangenen Monaten zerstört. Noch immer scheinen die ukrainischen Streitkräfte kein probates Gegenmittel gefunden zu haben. Ebenso wenig gegen die zu Gleitbomben umgebauten FAB-500, über die Russland in hoher Zahl verfügen soll.
➤ Gefahr für ukrainische Gegenoffensive: Die russischen FAB-Bomben
Durch diesen Einsatz muss die russische Luftwaffe nicht über die Frontlinien fliegen, kann aus sicherer Entfernung angreifen. Bisher hat Russland etwa 80 Flugzeuge verloren – und somit noch 1.000 Jäger und Jagdbomber im Einsatz. Im Rahmen der angekündigten F-16-Lieferungen ein klares Zeichen, dass die Ukraine mit diesen Kampfjets nicht …read more
Source:: Kurier.at – Politik