
Am 19. Oktober 2023 um 22.14 Uhr wird die Autobahnpolizei in Stockerau über einen Geisterfahrer auf der S5 Richtung Krems informiert. 13 Fahrer haben binnen sieben Minuten den Notruf gewählt, weil ihnen ein Fahrzeug entgegengekommen war. Am Steuer sitzt Christian Pilnacek mit 1,44 Promille Alkohol im Blut, wie die Streife feststellt, als sie ihn um 22.23 Uhr anhält.
Angeführt sind diese Daten aus den letzten Stunden im Leben des suspendierten Sektionschefs in einem Schreiben, das das Innenministerium an die Volksanwaltschaft gesendet hat. Volksanwältin Elisabeth Schwetz (FPÖ) hatte nach Medienberichten – und insbesondere nach dem Erscheinen des Buches von Ex-Mandatar Peter Pilz – ein „amtswegiges Prüfverfahren“ eingeleitet.
Pilz schildert darin ein angebliches „Mordkomplott“, das von höchster Stelle im Innenministerium (BMI) vertuscht worden sei. Rund um das Vorgehen der Polizei ermittelt auch die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA).
Das BMI-Schreiben liegt dem KURIER vor. Ein Überblick:
Die Alkofahrt
Pilnacek wohnte damals zeitweise bei Karin W. in einem Haus in Rossatz, das diese gemeinsam mit Anna P. bewohnte. Die Frauen schilderten, dass Pilnacek, als er von seiner Alkofahrt abgeholt wurde, „wie wild am Handy herumgetippt habe“.
Gemutmaßt wird, der Justiz-Spitzenbeamte habe versucht, seine politischen Kontakte zu nutzen, um die Anzeige zu seiner Alko-Geisterfahrt verschwinden zu lassen. Ein Publikwerden hätte das endgültige Aus seiner Karriere bedeutet.
Das BMI schreibt: Da es sich bei Pilnacek „um eine Person des öffentlichen Lebens handelte“, sei gemäß Dienstanweisung telefonisch die Schichtleitung der Landesleitzentrale über den Vorfall in Kenntnis gesetzt worden; in der Früh dann auch der Tageskommandant, der Leiter der Landesverkehrsabteilung und später auch der Landespolizeidirektor und die Staatsanwaltschaft St. Pölten; diese hätten „keinerlei Anordnungen“ erteilt. Zu dem Zeitpunkt war bereits der Leichnam Pilnaceks entdeckt worden.
Der Fund
Die Besatzungen von zwei Streifen (Mautern und Weißenkirchen) sowie eine Bedienstete der Polizeiinspektion Mautern, die als Kommandantin eingeteilt wurde, waren am Fundort; ebenso eine Gemeindeärztin. Diese behauptete später, von der Kommandantin sei „massiver Widerstand gegen eine Obduktion“ ausgegangen, weil man den Fall als Suizid habe abhaken wollen. Die Gemeindeärztin aber konnte ein Fremdverschulden nicht ausschließen.
Im BMI-Schreiben heißt es, dass erst die Gemeindeärztin und dann die Kommandantin mit der Journal-Staatsanwältin in Krems telefoniert hätten. Diese habe angeordnet, dass die Entscheidung erst auf Basis des Anlassberichts getroffen werde.
„Die Obduktion der Leiche wurde folglich von der Kriminalpolizei angeregt“, steht im BMI-Bericht. Und: Die Richtlinie für Tatortarbeit sei „ordnungsgemäß beachtet“ worden.
Die Kommunikation
Zeitgleich liefen die Telefone heiß: Zwischen 8 und 9 Uhr sei laut BMI-Bericht der nö. Landespolizeidirektor informiert worden – und zwar von Bundespolizeidirektor Michael Takacs. Anna P., die mit ihm befreundet ist, hatte ihn zuvor angerufen. Takacs spielt im Buch von Pilz eine tragende Rolle und hat deshalb wegen übler Nachrede geklagt.
Der Leiter des nö. Landeskriminalamts sei dann von Andreas Holzer, Direktor des Bundeskriminalamts, informiert und mit der „lückenlosen Aufklärung des gesamten Geschehens“ beauftragt worden, heißt es weiter.
Die Tatortarbeit
Es ist unklar, wann genau Pilnacek gestorben ist – irgendwann zwischen Mitternacht (da hat Pilnacek laut seiner Freundin das Haus verlassen) und 7.50 Uhr (da wurde der Leichnam entdeckt), heißt es im BMI-Bericht – und was er in der Zwischenzeit gemacht hat. Die Auswertung seiner …read more
Source:: Kurier.at – Politik