Revolution mit Kettensäge: Wie Javier Milei Argentinien umkrempeln will

Politik
Die 19-jährige Fernanda (19, l.) feiert mit ihrer Freundin den Wahlsieg des neuen argentinischen Präsidenten Javier Milei auf der Avinguda de Mayo in Buenos Aires.

Der selbst ernannte „Anarchokapitalist“ Javier Milei wird neuer Präsident Argentiniens. Er will die Sozialausgaben massiv kürzen und den US-Dollar einführen. Aber kann er das überhaupt?

Um Mitternacht stieg die große Party am weltberühmten Obelisken. Dort, wo die Argentinier vor knapp einem Jahr den Sieg bei der Fußball-Weltmeisterschaft feierten, versammelten sich nun Tausende, meist junge Menschen, um den Wahltriumph des libertären Ökonomen Javier Milei zu feiern. 

➤ Mehr dazu: „Anarchokapitalist“ Milei gewinnt Stichwahl in Argentinien

„Libertad, Libertad“-Sprechchöre („Freiheit, Freiheit“) waren zu hören. Und dann Erstaunliches zu beobachten: die jungen Demonstranten begannen, ihren eigenen Müll wegzuräumen. „Wir wollen ein besseres Argentinien“, rief einer der Feiernden. „Wir wollen, dass er das Land in Ordnung bringt“, sagt Fernanda (19), die mit ihren Freundinnen Selfies von der historischen Nacht macht. „Es muss sich etwas ändern. Wir brauchen wieder eine Zukunft.“

Tobias Käufer

Die Milei-Wählerin bringt damit die Kernbotschaft des Wahlabends auf den Punkt: Vor allem die jungen Argentinier haben dem Wirtschaftswissenschaftler Javier Milei den Auftrag erteilt, den ökonomischen Sanierungsfall in Angriff zu nehmen.

Sieg gegen „Superminister“ Sergio Massa

Mit einer Jahresinflation von 143 Prozent und einer Armutsrate von 40 Prozent übergibt die amtierende linksperonistische Regierung von Präsident Alberto Fernández und dessen Vor-Vorgängerin Cristina Fernández de Kirchner das Land am 10. Dezember in einem wirtschaftlich katastrophalen Zustand. 

Der Versuch, mit dem vor über einem Jahr kurzfristig eingewechselten „Superminister“ Sergio Massa (Finanzen und Wirtschaft) als Präsidentschaftskandidaten die Macht zu retten, schlug fehl. Milei (55,69 Prozent) konnte mit fast elf Punkten Vorsprung vor Massa (44,30 Prozent) einen deutlicheren Erfolg einfahren als von den meisten Umfrageinstituten vorausgesagt.

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APA/AFP/Argentinian Presidency/MARIA EUGENIA CERUTTI

Die Peronisten um Ex-Präsidenten Cristina Fernández de Kirchner, Alberto Fernández und Wahlverlierer sowie „Superminister“ Sergio Massa werden vielfach für die Wirtschaftskrise verantwortlich gemacht.

Milei will den US-Dollar als Landeswährung einführen, aber doch keine Abschaffung der Zentralbank

Am Montag – einem Feiertag in Argentinien – gab es aus Mileis Umfeld bereits erste Fingerzeige: Staatliche Medien wie die bisher regierungsnahe Nachrichtenagentur TELAM oder TV Publico sollen ebenso privatisiert werden wie der Erdgas- und Erdölkonzern YPF. „Alles, was in den Händen der Privatwirtschaft sein kann, wird auch dort landen“, hieß es von Vertrauten am Montag. Milei will die Staatsausgaben massiv drücken, um das Haushaltsdefizit zu reduzieren.

Der selbst ernannte „Anarchokapitalist“ will Staat und Wirtschaft entbürokratisieren und weitestgehend privatisieren. Er will den Peso abschaffen und durch den US-Dollar ersetzen, Sozialabgaben kürzen und Steuern senken. Um die radikalen Schnitte zu symbolisieren, hielt er im Wahlkampf mehrfach eine Kettensäge hoch. Von den Argentiniern bekam er für diesen schmerzhaften Weg die demokratische Legitimation.

Mit Blick auf die im Wahlkampf mehrfach geforderte Abschaffung der Zentralbank ruderte Milei aber bereits zurück. Am Montag machte erstmals die Formulierung einer „Neuordnung“ der Zentralbank die Runde. Auch das Bildungs- und Gesundheitswesen will er nun doch nicht antasten.

US-Dollar in Argentinien? „Das ist fast unmöglich“

Das umstrittenste Projekt bleibt daher die Dollarisierung. Sebastian Menescaldi, stellvertretender Direktor der Finanzberatungsfirma EcoGo, sagte vor der Stichwahl gegenüber argentinischen Medien, das Vorhaben sei „fast unmöglich, weil die Zentralbank keine US-Dollar hat“. 

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Source:: Kurier.at – Politik

      

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