„Scheinheiligkeit“: Wehr-Experte fordert Debatte über Neutralität

Politik

Walter Feichtinger warnt vor weiterer Kriegslust von Wladimir Putin. Für Österreich fordert er die Verlängerung des Wehrdienstes beim Heer und eine ernsthafte Debatte über die Neutralität.

KURIER: Herr Feichtinger, Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hat dieser Tage davon gesprochen, dass wir in ein unsicheres Zeitalter eintreten. Was hat sich da verschoben? Die Menschen haben das Gefühl, dass die Sicherheitsordnung, die Weltordnung aus den Fugen geraten ist.

Walter Feichtinger: Diesen großen Blick braucht man einfach. Für mich ist die Weltordnung nicht im Umbau, sondern im Umbruch, weil ich sehe keinen neuen Plan dahinter. Was sind die wesentlichen Elemente? Da ist natürlich die USA mit ihrer neu definierten, eigenen Rolle. Das Zweite ist die Konkurrenz zwischen China und den USA. Und der dritte Bereich ist die Unzufriedenheit mit dem Westen und den internationalen Organisationen, Stichwort „Globaler Süden“. Da spürt man, dass der Westen enorm unter Druck gerät, weil viele mit dieser Situation nicht zufrieden sind. Und wenn sich eine Weltlage dramatisch verändert, kommt es oft zu bewaffneten Konflikten. Das sehen wir jetzt.

Man kann sich auf alte Denkmuster nicht mehr verlassen. Dass die USA im Sicherheitsrat mit Russland und China stimmen und die Europäer auf der anderen Seite stehen, wenn es um die Ukraine geht, hat sich auch niemand vorstellen können.

Das ist vor allem das, was uns jetzt in Europa besonders weh tut und große Sorge bereitet. Amerika war eigentlich unser Sicherheitsanker. Wir haben immer geglaubt, dass der amerikanische Sicherheitsschirm über Europa schwebt. Das hat sich jetzt binnen weniger Tage durch Präsident Trump total verdreht. Wir Europäer müssen uns nun fragen, warum das so ist. Geht es Trump darum, auf geopolitischer Ebene Russland aus den Fängen Chinas zu befreien? Geht es darum, den Europäern einmal zu zeigen, wie schwach sie sind, um sie für künftige Verhandlungen gefügig zu machen? Das ist für mich ein wenig in Schwebe. Aber eines ist schon klar: Europa ist nicht mehr ein Schwerpunkt der amerikanischen Außen- und Sicherheitspolitik.

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Hat das alles nur mit Donald Trump zu tun? Oder hat sich ganz Amerika verändert?

Wir müssen unterscheiden zwischen den Eliten und der breiten Gesellschaft. Die wird sicherlich noch länger Trump applaudieren. Die anderen, die es genauer betrachten, die werden schon ein wenig Magenschmerzen bekommen. Aber insgesamt sehen wir, dass sich die Position weltweit und auch gegenüber Europa in den vergangenen zehn Jahren verändert hat. Es wurde immer wieder betont, dass Europa selbst für seine Sicherheit aufkommen muss. Die amerikanische Unterstützung wurde dennoch nie in Frage gestellt. Mit ihm ist dazugekommen, dass Europa klar gemacht wird, dass es sich um seine Angelegenheiten selbst kümmern soll.

Eklat im Weißen Haus: „Das war eine Schande“

Was haben Sie sich persönlich gedacht, als es vor ungefähr einer Woche zum Eklat zwischen Donald Trump, seinem Vize JD Vance und dem ukrainischen Präsidenten Selenskij gekommen ist?

Das war eine einzige Schande, in jeder Hinsicht. So etwas macht man nicht, jemanden weltweit bloßzustellen vor laufenden Kameras. Das war völlig inakzeptabel.

REUTERS/Brian Snyder

Eines dürfte es schon bewirkt haben: Dass Europa aufgewacht ist und jetzt seine Verteidigung in Angriff nimmt. Was ja diese Woche auf dem EU-Gipfel …read more

Source:: Kurier.at – Politik

      

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