
OGH-Entscheidung liefert nach keinen Erkenntnisgewinn für die zentrale Frage, die im Zuge der Inseraten-Causa aufkam. Verfassungsjurist hält Regelung für individuellen Schutz für notwendig.
Man könnte sagen, es ist eigentlich eh schon wurscht. Nach Monaten des Tauziehens hat die WKStA im Juni 2023 genau jene Daten vom Kanzleramt bekommen, die sie im Zuge ihrer Ermittlungen zur Inseraten-Causa haben wollte: eMail-Konten und andere digitale Daten sämtlicher Mitarbeiter, die in der Amtszeit des früheren Kanzlers Sebastian Kurz (Dezember 2017 bis Oktober 2021) in der Öffentlichkeitsarbeit bzw. Kommunikation beschäftigt waren.
Die WKStA wollte auf diese Weise dem Verdacht nachgehen, dass der Boulevard mit Inseraten verwöhnt worden sei, um für Kurz eine positive Berichterstattung sicherzustellen.
Die Finanzprokuratur hat sich – als Anwältin der Republik, dem Dienstgeber – dagegen gewehrt. Die Anordnung zur Sicherstellung sei zu unkonkret und der Eingriff unverhältnismäßig, weil von der Maßnahme ja auch private und sensible Daten von Mitarbeitern betroffen wären, wandte sie ein.
Das Landesgericht als erste und das Oberlandesgericht als zweite Instanz haben dann inhaltlich entschieden, dass der Eingriff verhältnismäßig und in Ordnung war.
„Wurscht“ ist es aber nicht, denn in der Causa geht es um die übergeordnete Frage: War die Finanzprokuratur legitimiert, die Sicherstellung zu bekämpfen und damit für die Rechte der Mitarbeiter einzustehen?
Keine Grundrechte
Das wollte die Generalprokuratur geklärt haben – und wandte sich in Form einer „Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes“ an den Obersten Gerichtshof (OGH). Wie der Standard am Dienstag berichtete, hat der OGH die Beschwerde Ende Jänner verworfen. Gewonnen oder verloren hat niemand – der Erkenntnisgewinn ist gleich null.
Der OGH erklärte grundsätzlich, dass es im hoheitlichen Vollzug keine Grundrechte gibt, die man verletzen könnte. Die Krux: Um Daten aus dem „hoheitlichen“ Bereich ging es gar nicht, sondern eben um private, sensible Daten von Mitarbeitern.
Verfassungsexperte Christoph Bezemek fasst zusammen: „Beamte sind Menschen, und Menschen haben Rechte.“ Mit Blick auf behördliche Tätigkeiten können derartige Rechte zwar nicht geltend gemacht werden, in anderen Zusammenhängen vielleicht schon – aber darauf gab der OGH keine Antwort. Und auch die Frage, ob die Finanzprokuratur legitimiert war, einzuschreiten, bleibt weiter offen.
Individuelle Rechte
Die Mitarbeiter selbst könnten sich nicht gegen die Sicherstellung zur Wehr setzen – sie haben in dem Verfahren keine Parteienstellung, sind nur „Dritte“, weil sich die Anordnung ja an das Kanzleramt gerichtet hat, sagt Peter Bußjäger, Verfassungsexperte von der Uni Innsbruck. Und auch er kritisiert: „Es besteht weiter die Problematik , dass da auf sehr private Kommunikation zugegriffen werden kann und nicht geklärt ist, ob der Dienstgeber seine Mitarbeiter davor schützen kann.“
Grundsätzlich dürfen dienstliche Kommunikationskanäle auch für Privates genutzt werden – offensichtlich beinhaltet das aber das Risiko, dass man keine Kontrolle mehr darüber hat. Bußjäger sagt deshalb: „Man muss sich für die Zukunft überlegen, wie die individuellen Rechte der Dienstnehmer geschützt werden können.“
Source:: Kurier.at – Politik