
Anarchokapitalist Javier Milei oder Peronist Sergio Massa: Am Sonntag stehen auch zwei völlig unterschiedliche Konzepte zur Wahl.
Von Tobias Käufer, Buenos Aires
Am Ende des letzten TV-Duells vor der Stichwahl um das argentinische Präsidentenamt am vergangenen Sonntag klatschte der Kandidat des linksperonistischen Regierungslagers Sergio Massa zufrieden Beifall, während der ultrarechte Herausforderer Javier Milei wie ein zerstreuter Professor nervös seine Papiere zusammensuchte.
Ein Bild mit Symbolwert: „Massa hat der Debatte seine Agenda aufgedrückt und Milei nicht die Chance gegeben, mit der Wirtschaftskrise zu punkten“, kommentierte die konservative Zeitung La Nacion.
Auf die gegnerische Taktik nicht vorbereitet
Milei war offenbar nur auf Angriff eingestellt und fand keinen Weg gegen die auf ihn einprasselnden Fragen. Irritiert griff er sich bisweilen an die auffällige Haarpracht, die ihm den Spitznamen „Perücke“ einbrachte.
Dann aber kamen die ersten Zweifel auf, niedergeschrieben von der Zeitung Clarin: „Hat Massa mit seiner aggressiven, einschüchternden Art auch die unentschlossenen Wähler erreicht oder hat er sie nicht sogar verschreckt?“
EPA/Enrique Garcia Medina
Sergio Massa gewann die erste Runde der Wahl überraschend
Sie hätten sich vom aktuellen Wirtschaftsminister angesichts einer Jahresinflation von 143 Prozent und einer Armutsrate von 40 Prozent mehr Demut, vor allem aber konkrete Vorschläge erhofft.
Der Papst hat eine klare Präferenz
Der überraschende Verlauf des Duells zeigt: Im argentinischen Wahlkampf ändern sich die Vorzeichen fast jeden Tag. Genau wie die ohnehin unzuverlässigen Umfragen.
Sicher ist: Es ist eine klare Richtungswahl. Massa steht für ein „Weiter so“, für eine Regierung, die auf staatliche Kontrolle und Regulierung setzt, ihren Rückhalt in den Gewerkschaften, den Behörden und der Zivilgesellschaft hat. Und sogar im Papst, der sich dazu hinreißen ließ – ohne Milei beim Namen zu nennen – in einem TV-Interview vor „messianischen Clowns“ und einem Rattenfänger zu warnen, der schnelle Lösungen verspricht und dann die Menschen ertrinken lässt.
Milei steht für einen klaren Bruch, eine Deregulierung der Märkte, eine Dollarisierung, ein radikales Herunterbrechen des Staates – und für bisweilen bizarre Ideen wie die Privatisierung des Organhandels oder der Meere. Kurzum für eine Zeitenwende.
Die einen hoffen auf Veränderung, die anderen fürchten sie
„Wenn wir einen wirklichen Wandel wollen, dann liegt hier die Chance. Milei steht für eine Abkehr des „Immer weiter so“, sagt Polizist Helios (40) am Rande einer Wahlkampfveranstaltung zum KURIER. „Das Land braucht eine neue Generation von Politikern und Milei hat den notwendigen Mut.“
Peronistin Rebeca (29) befürchtet, dass „wir die individuellen und kollektiven Rechte verlieren. Ich habe das Gefühl, dass Hass und Aggression in der Gesellschaft entstehen und dass wir weder ein produktives noch ein besseres Land aufbauen.“
Das Massa-Lager fuhr im Wahlkampf eine Angst-Kampagne, stellte Milei als ultrarechten Hardliner dar, mit dem sogar eine Rückkehr zu Diktaturzeiten drohe. Das Milei-Lager setzte hingegen auf die Wut, die die Stimmung der von der schweren Wirtschaftskrise gebeutelten Bevölkerung einsammeln sollte.
Wessen Strategie erfolgreicher war, wird sich am kommenden Sonntag zeigen. Ausgang: völlig unklar.
Source:: Kurier.at – Politik