
Ein knochentrockener Mathematiker; einer, der lange überlegt, bevor er redet und dem jegliches politisches Charisma abgeht – kann so jemand George Simion, den extrem rechten Sieger der ersten Runde der rumänischen Präsidentenwahlen, bei den kommenden Stichwahlen noch besiegen?
Chancen seien durchaus gegeben, meint Katja Plate, Leiterin des Rumänien-Büros der Konrad-Adenauerstiftung, „in den kommenden zwei Wochen kann es sein, dass die Wähler-Mobilisierung bis zur Wahl am 18. Mai Nicusor Dan zugute kommt.“
Denn in Rumänien sei es durchaus üblich, dass viele Wähler erst bei der entscheidenden, zweiten Wahlrunde zur Urne gingen. Und dann könnte sich das nicht-ultra-rechte Lager im Land vor derselben Entscheidung wiederfinden wie zuletzt Frankreich vor dessen jüngsten Präsidentenwahlen: Jede Alternative schien besser als die Rechts-Populistin Marine Le Pen.
„Für das ganze bürgerliche Lager in Rumänien ist die Möglichkeit, dass Simion Präsident werden könnte, eine Horrorvorstellung“, führt die in Bukarest lebende Katja Plate aus, „ich kenne nicht wenige Leute, die sagen: Dann wandere ich aus.“
Duell in knapp zwei Wochen
Rund 41 Prozent der abgegebenen Stimmen hatte Simion in der ersten Runde am Sonntag erhalten. Auf Platz zwei, mit großem Abstand, folgte Dan mit rund 21 Prozent – die beiden so unterschiedlichen Männer werden nun ins Duell um das in Rumänien vor allem in der Außen- und Europapolitik so wichtige Präsidentenamt ziehen.
APA/AFP/MIHAI BARBU
Bukarests Bürgermeister Nicusor Dan (55)
Damit steht dem 38-jährigen krawalligen Simion, Chef der rechtsextremen AUR-Partei, der eher hölzerne, intellektuelle Reformer und nunmehr parteilose Bürgermeister von Bukarest, Nicusor Dan (55) gegenüber. Während der ehemalige Fußball-Rowdie Simion für einen Wir-sind-uns-selbst-genug-Nationalismus poltert, tritt an der an nüchterne Zahlen gewohnte Dan für ein transparentes, liberales, pro-europäisches Regieren ein.
Stadt versus Land
Es ist auch ein Duell zwischen Stadt und Land: In Bukarest holte Dan am Sonntag 40 Prozent der Stimmen, in allen anderen größeren Städten war es fast genauso viel – während Simion vor allem auf dem Land uneinholbar viele Stimmen gewann. „Die ländlichen Regionen in Rumänien sind sehr konservativ, und auch sehr stark dem orthodoxen Glauben verhaftet. Diese Teile der Bevölkerung spricht Simion sehr stark an“, sagt Plate zum KURIER. Vor allem aber mobilisiere der AUR-Chef „mit allem, was gegen LGBTQ-Rechte und Brüssel geht“.
Zudem habe Simion stark auf die „MAGA-Idee“ gesetzt, wie sie US-Präsident Donald Trump propagiere: „Anti-modern, national, nach dem Stil: wir sind uns selbst genug.“ Und nicht zuletzt habe Simion mit dem in Rumänien tief verankerten Minderwertigkeitsgefühl agiert: „Viele Rumänen denken, dass alle anderen Europäer auf sie herabschauen.“ Was dann, vor allem auf dem Land, zum Gefühl führe: „Wenn Ihr uns nicht wollt, dann wollen wir Euch auch nicht.“
Kann da einer wie der liberale Reformer Nicusor Dan punkten?
Die Chancen des als absolut nicht korrupt geltenden Politikers liegen nicht nur in seiner sauberen politischen Weste, sondern ausgerechnet in einer Parallele mit seinem politischen Gegner: Sowohl Dan als auch Simion werden nicht als Politiker des herrschenden politischen Systems wahrgenommen – „eines Systems“; sagt Rumänien-Kennerin Plate, „das die Rumänen unbedingt loswerden wollen“.
Jene Parteien nämlich, die sich aus dem kommunistischen Ceauscescu-Regime heraus in neu gegründete Parteien hineingesenkt haben, korrupt sind, an der Macht waren und bis heute weitgehend straflos davon …read more
Source:: Kurier.at – Politik