
Der ÖVP-Bundeskanzler im KURIER-Interview über seinen Vorgänger, den Wunsch nach mehr Optimismus, die hohe Inflation, das schwierige Klimaschutzgesetz und die Zusammenarbeit mit den Grünen
KURIER: Es haben zuletzt zwei Kinofilme über Ihren Vorgänger Sebastian Kurz Premiere gefeiert. Wie sehr nervt Sie die Diskussion über ihn eigentlich schon?
Karl Nehammer: (lacht) Gar nicht. Es zeigt ein Stück weit, dass Sebastian Kurz nach wie vor eine sehr starke und besondere Wirkung für die veröffentlichte Meinung hat. Wir sind gut abgestimmt.
Werden Sie sich die beiden Filme ansehen?
Ich war bei der Premiere des ersten Filmes, hatte aber nicht die Möglichkeit, zum Kinofilm selbst zu gehen. Aber ich weiß, was passiert im Film, ich war ja als Generalsekretär und später als Innenminister live dabei.
Dazu eine grundsätzliche Frage. Wird die ÖVP beim Wahlkampf im kommenden Jahr mit der Parteifarbe Türkis oder Schwarz antreten?
Wir haben daraus nie einen Widerspruch gemacht. Türkis ist eine extrem sympathische Farbe, ist sehr ansprechend. Sie ist auch deutlich leichter einsetzbar als Schwarz. Die Volkspartei hat Inhalte. Sie ist eine christlich-soziale Partei. Das steht zur Wahl, da geht es um die Substanz. Die Frage der Farbe ist eine Frage des Marketings.
Es war aber damit verbunden, dass das eine die neue, das andere die alte ÖVP ist.
Ja, aber nur in den Augen unserer Kritiker. Es passt beides zusammen.
Bei einer Veranstaltung haben Sie diese Woche gesagt: Wir müssen viel optimistischer werden. Aber was soll uns derzeit optimistisch stimmen?
Es ist wichtig, dass man sich gerade jetzt, wo die Zeiten herausfordernd sind, auf die eigenen Stärken besinnt. Nur dann bin ich in der Lage, große Herausforderungen auch zu überwinden. Sie werden keinen Slalomläufer finden, der am Start steht und sagt: Das ist alles so furchtbar, die Piste ist eisig, ich werde das Rennen nicht gewinnen. Jeder, der so einen Slalom siegreich beenden will, muss an seinen Erfolg glauben können.
Aber was soll mir diese Zuversicht geben?
„Glaub an dieses Österreich“, ist für mich keine leere Formel. Dadurch, dass ich viel im Ausland bin und dort erlebe, wie die Exzellenz unserer österreichischen Unternehmen wahrgenommen wird. Wir konkurrieren mit großen Industrien erfolgreich als nicht großes Land. Österreich ist die Nummer vier in der gesamten Europäischen Union bei der Produktion von Halbleitern, den Elektrochips. Das zeigt, dass wir viel können. Und es nutzt nichts, wenn man sich von Angst treiben lässt. Es ist nur wichtig, dass man sich der Angst stellt.
Sie sind optimistisch, die Stimmung in der Bevölkerung ist aber eine andere. Trotz der Förderungen, der Unterstützungspakete.
Ich bin immer wieder erstaunt, wie sehr in der veröffentlichten Meinung das Thema Angst das Hauptmotiv ist bei all den Veränderungen, die auf uns zukommen. Ein Beispiel: Wir haben derzeit über 200.000 offene Stellen in Österreich. Das ist für die Wirtschaft eine große Herausforderung, weil sie brauchen die Arbeitnehmer, um produktiv zu sein. Auf der anderen Seite heißt das für jeden jungen Menschen heute, dass er sich den Lehrplatz, die Firma aussuchen kann, wo er gerne arbeiten möchte. Das ist eine Chancenperspektive, wie es sie noch nie gegeben hat.
Aber die Inflationsrate bleibt hoch. Und Deutschland droht in …read more
Source:: Kurier.at – Politik