
Seit fast drei Monaten sitzt Ekrem Imamoglu (54) im Gefängnis. Am Donnerstag beginnt der mittlerweile dritte Prozess gegen den früheren Bürgermeister von Istanbul, dessen Absetzung massenhafte Proteste in der Türkei ausgelöst hatte. Dieses Mal muss sich der Chef der Oppositionspartei CHP wegen „versuchter Einflussnahme auf einen Justizbeamten, Sachverständigen oder Zeugen“ verantworten.
Imamoglu, der wichtigste Herausforderer der über zwei Jahrzehnte währenden Herrschaft von Präsident Recep Tayyip Erdoğan, wurde am 19. März festgenommen und vier Tage später wegen „Korruption und Terrorismus“ offiziell inhaftiert. Das löste die größten Proteste in der Türkei seit mehr als zehn Jahren aus. Fast 2.000 Menschen wurden deswegen festgenommen, der Druck der Staatsführung gegen die oppositionelle CHP hält mit allem Nachdruck an.
Stück um Stück holt sich die türkische Regierungspartei AKP nun wieder die Macht in Istanbul zurück. So wählte der Rat des Stadtteils Gaziosmanpasa den Kandidaten der Partei von Präsident Recep Tayyip Erdogan mit Unterstützung der ultranationalistischen Partei MHP am Mittwoch zum neuen Bürgermeister, wie die staatliche Nachrichtenagentur Anadolu berichtete.
Der vorherige Bürgermeister des Stadtteils war gemeinsam mit vier weiteren CHP-Bezirksbürgermeistern in Istanbul und Adana vor einer Woche im Rahmen von Korruptionsermittlungen verhaftet und abgesetzt worden.
APA/AFP/YASIN AKGUL
Ekrem Imamoglu vor seiner Verhaftung
Die Opposition spricht von einem Putsch.
Bereits zwölf CHP-Bürgermeister abgesetzt
Gaziosmanpasa ist die vierte Gemeinde, die die größte Oppositionspartei nach den Lokalwahlen 2023 verliert. Damals war die AKP Erdogans erstmals in ihrer Geschichte nur als zweitstärkste Kraft hervorgegangen.
Während Nachbesetzungen in einigen Gemeinden noch ausstehen, sind bisher in dreien regierungsnahe Zwangsverwalter eingesetzt worden.
In sechs Gemeinden konnte ein parteieigener Stellvertreter gewählt werden – so etwa auch im Falle der Absetzung und Inhaftierung des Istanbuler Bürgermeisters Ekrem Imamoglu im März. Imamoglu gilt nach wie vor als aussichtsreicher Rivale Erdogans, obwohl er im Gefängnis sitzt und ihm sein Studium aberkannt wurde.
Imamoglu wurde in Haft offiziell zum Präsidentschaftskandidaten der größten Oppositionspartei, der Republikanischen Volkspartei (CHP), ernannt. Fast 15 Millionen Menschen – darunter 13 Mio. Parteilose, die aus Solidarität stimmten – unterstützten Imamoglu in einer internen Abstimmung am 23. März als Kandidaten der Partei. Diese Abstimmung war bereits vor seiner Inhaftierung geplant gewesen.
Source:: Kurier.at – Politik