Früher ließ Markus die Fäuste sprechen, heute atmet der Yogalehrer tief durch – und berichtet von früheren Schlägereien, klaren Regeln, und warum es zwischen Austria und Rapid kaum Lösungen gibt.
Es waren Szenen, die auch abseits der Fußballszene für Entsetzen sorgten: Böller und Leuchtraketen, die in den Familiensektor von Rapid geworfen wurden. Hooligans, die teils mit Stöcken aufeinander einschlugen – insgesamt 27 Menschen wurden beim vergangenen Wiener Derby verletzt. Es setzte 577 Anzeigen – und Kritik am Vorgehen der Polizei.
Auch Markus (Name von der Redaktion geändert, Anm.) hat die Videos davon gesehen. Entsetzt ist er nicht wirklich, aber: „Echte Hooligans würden nie im Stadion schlägern“, meint er. „Die treffen sich nach Absprache irgendwo im Wienerwald und kämpfen 50 gegen 50.“
Warum er das sagt? Markus war selbst etliche Jahre in der Hooligan-Szene aktiv. Wobei er sich selbst lieber als „sehr fanatischen Fan, der kein Problem damit hatte, mitzulaufen“ bezeichnet. Der 35-jährige Salzburger redet offen über seine Vergangenheit.
Er ersucht beim Gespräch mit dem KURIER nur darum: Kein Name, auch nicht der des Fußballklubs, und keine Erwähnung seines Jobs heute. Doch so viel: Markus arbeitet im Sozialbereich. Und außerdem als Yogalehrer. Vor 15 Jahren wurde er Buddhist. „Ich kann sagen, dass ich nichts ausgelassen habe“, meint er heute. Auf dem Fußballplatz ist er nur noch selten. Früher war der seine Heimat.
Auch deshalb, weil ihm ein echtes Zuhause fehlte. „Ich hatte ein schwierige Kindheit, bin im Heim aufgewachsen. Und dort hat das Recht des Stärkeren gegolten“, erzählt er.
Loyalität
Als Jugendlicher entdeckte er die Fantribüne für sich. „Im Stadion hatte ich das Gefühl von Familie.“ Er schloss sich einer Fangruppe an. Loyalität sei das Um und Auf gewesen, erzählt er. „Du hast da ja zuerst auch eine Probezeit. Und du musst deine Loyalität beweisen und mitmachen. Im Gegenzug kommen die anderen, wenn du ein Problem hast. Als Jugendlicher fühlst du dich dadurch plötzlich unangreifbar.“
Der Fußball wurde zu seinem Lebensinhalt. „Plötzlich hatte ich 50 beste Freunde.“ Alle Schichten waren vertreten. Firmenchefs, Rechtsanwälte, aber auch Arbeitslose. Und Markus, ein Heimkind.
Gemeinsam ging man zu den Spielen, fuhr zu den Auswärtsmatches. Und ließ die Fäuste sprechen, wenn man auf die Anhänger der gegnerischen Klubs traf. „Das ist ein Adrenalinkick. Zwei Gruppen laufen aufeinander zu, dann fliegen die Fäuste.“ Doch es gab Regeln: Waffen waren tabu, wer am Boden lag, wurde nicht mehr angegriffen.
Bei 200 Raufereien, so schätzt Markus, war er dabei. Er selbst habe nur einmal einen gebrochenen Arm gehabt. „Die Cuts waren kleine Andenken.“ Dass er jemanden schwer verletzten könnte, daran habe er nie gedacht. „Ich hatte da keine Skrupel. Wenn ich jemanden erwischt hätte und der wäre blöd mit dem Kopf auf den Boden gefallen – das wäre mir damals wurscht gewesen“, gibt er offen zu. Doch dann gab es einen Knackpunkt in seinem Leben. Er war mit einem Freund in Salzburg unterwegs. Es kam zu einer Schlägerei, Markus attackierte einen Polizisten und wurde später bei einem Gerichtsverfahren zu sechs Monaten bedingter Haft verurteilt. „Ich musste deshalb zur Bewährungshilfe“, erzählt er.
Nachdenkpause
Es seien intensive Gespräche mit seinem Bewährungshelfer bei …read more
Source:: Kurier.at – Sport