Pavol Dobrocky. Chef von Boehringer Ingelheim in Wien, über Erfolge in der Krebsforschung und warum diese immer später bei Patienten in Europa ankommen
Seit knapp einem Jahr ist der Slowake Pavol Dobrocky Generaldirektor von Boehringer Ingelheim RCV in Wien. Der KURIER sprach mit ihm über Wiener Erfolge in der Krebsforschung, Hürden bei der Zulassung, Medikamentenpreise und warum der Pharmastandort Österreich an Attraktivität verloren hat.
KURIER: Wie wirkt sich die aktuelle Wirtschaftsflaute auf Ihr Geschäft aus?
Pavol Dobrocky: Da wir verschreibungspflichtige Medikamente herstellen, sind wir nicht direkt abhängig von der Wirtschaftslage, es hat eher langfristig negativen Einfluss. Das Humanpharmageschäft läuft sehr gut. Bis Ende Oktober sind wir in der von Wien aus betreuten Region gegenüber dem Vorjahr um 7 Prozent gewachsen.
Sie steuern von Wien aus 33 Regionen. Dazu gehören auch die Ukraine und Russland sowie Israel. Wie geht es in diesen Ländern?
Wir liefern alle unsere Produkte weiter in die Ukraine und Russland. In der Ukraine kümmern wir uns auch um unsere Mitarbeiter dort. Russland war einmal unser größter Markt, derzeit haben wir nur noch eine kleine Organisation dort. Und in Israel könnte die Markteinführung neuer Produkte schwieriger sein, weil die Wirtschaft des Landes an den aktuellen Ereignissen leidet.
Kurier/Juerg Christandl
Boehringer Ingelheim Standort in Wien Meidling
Ist die Pharma-Produktion hier in Wien ausgelastet?
Ja, weil wir eine globale Produktion hier haben und daher nicht nur vom Bedarf in Österreich oder Europa abhängig sind. Unser Schlaganfall-Präparat, das wir in Wien produzieren, liefern wir in die ganze Welt. Insgesamt sind es über 120 Länder.
Erst kürzlich wurde am Standort ein neues Krebsforschungsgebäude eröffnet. Wann ist mit neuen Krebs-Therapien aus Wien zu rechnen?
Ich kann sagen, dass wir in weniger als 100 Tagen ein Onkologie-Produkt aus unserer Forschung hier in Wien in den USA auf den Markt bringen werden. Das Präparat wird zur Therapie von nicht kleinzelligem Lungenkrebs eingesetzt. Nach der Zulassung in den USA soll es in Japan 2025 auf den Markt kommen und dann in anderen Ländern in der Welt.
Und in Europa?
Das wird bis 2028 dauern, weil die Regeln hier restriktiver als in den USA sind.
Sind weitere Krebsmedikamente in der Pipeline?
Wir haben in Wien derzeit 18 Forschungsprojekte mit zwölf unterschiedlichen Substanzen laufen. Es gab zuletzt Kritik an der europäischen Zulassungsbehörde EMA wegen der verzögerten Zulassung eines Alzheimer-Präparats.
Kurier/Juerg Christandl
Generaldirektor Pavol Dobrocky
Sind die Hürden in Europa zu hoch?
Wir kriegen fast in der ganzen Welt die Zulassungen rascher als in Europa. Nicht nur in den USA, auch Japan und China sind schneller. Die Akzeptanz für neue Innovationen ist in den USA viel höher, weshalb der Fokus der Pharmaindustrie auch hier liegt. In Europa forschen und produzieren wir auch, aber es dauert länger, bis wir die Produkte zum Patienten bringen. Und Österreich ist überhaupt ein Billigland Die Preise für Medikamente im niedergelassenen Bereich sind hier niedriger als in vielen Ländern Europas.
Die Krankenkassen schreiben Milliardenverluste und müssen sparen. Gibt es da noch Spielraum bei den Medikamentenpreisen?
Unsere Preise gehen ohnehin immer nur nach unten, wir können sie gar nicht erhöhen, obwohl unsere Kosten auch gestiegen sind. Der Medikamenten-Anteil an den Gesundheitskosten sinkt seit Jahren und liegt etwas …read more
Source:: Kurier.at – Wirtschaft