Entlastung der Justiz: Heirat und Scheidung künftig beim Notar?

Wirtschaft

Der Staat muss sparen und will Bürokratie abbauen. Für beide Anliegen bringen sich die heimischen Notare ins Spiel. Sie könnten als Gerichtskommissäre neue Aufgaben übernehmen und dadurch die Justiz spürbar entlasten sowie Prozesse beschleunigen, schlägt Notariatskammer-Präsident Michael Umfahrer im Gespräch mit dem KURIER vor.

KURIER: Wir haben politisch unsichere und konfliktreiche Zeiten. Im privaten Umfeld steigt dadurch die Sehnsucht nach Vorhersehbarkeit umso mehr. Spüren die Notare eine erhöhte Nachfrage?

Michael Umfahrer: Ja, in Zeiten großer politischer Polarisierung, des „Jeder gegen jeden“, gibt es eine Sehnsucht nach Stabilität im privaten Umfeld. Unsere Tätigkeit im Notariat ist eben nicht der Streit, sondern der Ausgleich und die Einigung zwischen Parteien. Die Menschen kommen oft zerstritten zu uns und gehen mit einer einvernehmlichen Lösung erleichtert wieder nach Hause.

Sind die Menschen generell sensibler bezüglich möglicher späterer Konflikte geworden und wollen sie vorher lösen?

Sie sind von den Ansprüchen her sensibler geworden, und das ist an sich keine schlechte Entwicklung. Jeder hat seine eigenen Interessen jetzt stärker im Fokus. So gibt es beispielsweise mehr Sensibilität bei jungen Menschen vor einer Eheschließung, da wird mehr Beratung eingeholt. Und auch vor einer Firmengründung gibt es heute viel kleinteiligere Fragen als früher.

Die neue Regierung hat sich eine Entbürokratisierung und Entlastung der Justiz verordnet. Haben Sie da ein paar Vorschläge, die rasch umsetzbar wären?

Wir Notare bieten schon jetzt einen One-Stop-Shop etwa bei einem Immobilienkauf oder einer Firmengründung an. Wir holen alle einen Tisch und wickeln alles aus einer Hand ab. Das könnte auf Verlassenschaften oder einvernehmliche Scheidungen ausgeweitet werden.

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Kurier/Tobias Steinmaurer

Das müssen Sie erklären. Wie könnten nach einem Todesfall Verlassenschaften für die Erben effizienter abgewickelt werden?

Zunächst: Wir Notare sind hier Gerichtsorgane, weil uns das Gericht die Verlassenschaften als Gerichtskommissäre überträgt. Aus den Verlassenschaften, die wir durchführen, entstehen zu 99 Prozent danach keine Rechtsstreitereien mehr. Das ist jetzt schon ein doppelter Entlastungseffekt für die Gerichte. Abgeschlossen wird das Verfahren vom Gericht per Einantwortungsbeschluss. Wir könnten uns vorstellen, diesen Einantwortungsbeschluss auch noch selbst zu beurkunden und damit das Verlassenschaftsverfahren zu 100 Prozent abzuwickeln. Das wäre noch eine weitere spürbare Entlastung.

Verlassenschaften dauern oft viele Monate, auch weil noch nichts digitalisiert ist. Wie könnte der Prozess beschleunigt werden?

Richtig, es ist eines der wenigen Justizverfahren, wo wir noch auf Papierakte vom Gericht angewiesen sind. Es könnte auf elektronischen Akt umgestellt werden, und auch Tagsatzungen könnten online durchgeführt werden, damit die Erben nicht immer in die Kanzlei kommen müssen. Wir haben schon seit Jahren Piloten laufen und sind jederzeit bereit, auf digitale Möglichkeiten umzustellen. Beschleunigen könnte man das Verfahren auch mit einem Blick ins Kontenregister. Derzeit dauert eine Barwertauskunft nach einem Todesfall bis zu einem halben Jahr. Dadurch verzögert sich das Verfahren deutlich …

Was schlagen Sie konkret vor?

Wir könnten uns die Anfragen sparen, wenn wir selbst eine Abfrage im Kontenregister machen könnten. Dann wären wir auch nicht auf das Wissen der Erben angewiesen. Da bleiben mitunter hohe Beträge bei den Banken liegen, weil die Erben keine Informationen über ein Konto haben. Weiters könnten wir im Zuge der Verlassenschaft gleich selbst Löschungen im Grundbuch vornehmen lassen, damit das Ganze dann erledigt …read more

Source:: Kurier.at – Wirtschaft

      

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